08.03.2023 – Kategorie: Digitale Transformation, Human Resources
Weltfrauentag: Ohne Frauen ist die Zukunft der IT-Branche in Gefahr
Die Digitalisierung hat mit der Corona-Pandemie deutlich Fahrt aufgenommen, zugleich fehlen in der deutschen Wirtschaft 137.000 IT-Fachleute. Laut einer Studie des Bitkom sind sechs von zehn IT- und TK-Unternehmen in Deutschland überzeugt, dass dieses Fachkräfteproblem ohne Frauen nicht zu lösen sein wird.
Laut der neuen Umfrage des Bitkom, die zum Weltfrauentag veröffentlicht wurde, glauben 59 Prozent der IT- und Telekommunikations-Unternehmen in Deutschland, dass das Fachkräfteproblem der Branche ohne Frauen nicht zu lösen sein wird. 74 Prozent der Befragten befürchten, dass die IT- und TK-Branche ohne Frauen ihre Zukunft spiele. Das sind Ergebnisse einer Studie des Digitalverbands Bitkom, für die mehr als 500 ITK-Unternehmen repräsentativ befragt wurden. „Es ist völlig klar: Wir brauchen viel mehr Frauen in den IT-Berufen“, sagt Achim Berg, Präsident des Bitkom e.V.
Die Mehrheit der Branche wünscht sich ein stärkeres Engagement der Politik. So sind 61 Prozent der Befragten der Meinung, die Politik müsse mehr tun, um Frauen in der ITK zu fördern. Unter den Großunternehmen mit 200 Beschäftigten und mehr sind es sogar 78 Prozent. „Gerade in großen ITK-Unternehmen gibt es Programme, die speziell darauf abzielen, Frauen für eine Karriere in der Branche zu gewinnen und zu fördern. Aber ganz offensichtlich stellen die Unternehmen fest, dass dies allein nicht ausreicht“, so Berg. „Wir müssen bereits in Schule und Hochschule ansetzen, um junge Frauen und Mädchen für die vielfältige Arbeit mit und an digitalen Technologien zu begeistern.“
IT-Branche für Frauen attraktiver machen
Aber auch in vielen Unternehmen selbst muss sich etwas tun, um die Branche für weibliche Fachkräfte attraktiver zu machen. So sagen 69 Prozent der Befragten, die ITK-Branche unterschätze das Potenzial von Frauen. 59 Prozent der Befragten glauben, dass die Branche Frauen abschreckt. Außerdem meinen 38 Prozent der Befragten, dass Männer für ITK-Berufe einfach besser geeignet seien. Diese Annahme ist vor allem in kleineren Unternehmen mit 10 bis 49 Beschäftigten (39 Prozent) und 50 bis 199 Beschäftigten (41 Prozent) verbreitet. In größeren Unternehmen ab 200 Beschäftigten stimmen 23 Prozent dieser Aussage zu.
Achim Berg ist überzeugt: „Wer in verantwortlicher Position meint, Frauen seien für die Digitalbranche weniger geeignet als Männer, verbaut seinem Unternehmen Entwicklungschancen.“ Um das Bewusstsein für Frauen in der Digitalbranche zu steigern und konkrete Maßnahmen zur Förderung weiblicher Fachkräfte zu ergreifen, engagiert sich der Bitkom mit weiteren Partnern in der Initiative #SheTransformsIT. Das interdisziplinäre Bündnis aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft setzt sich dafür ein, die Rolle von Mädchen und Frauen beim digitalen Wandel zu stärken.
Hinweise zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverband Bitkom durchgeführt hat. Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 503 Unternehmen mit 10 oder mehr Mitarbeitenden in Deutschland befragt. Die Interviews wurden mit der Führungsebene, Entscheidern und Personalchefs durchgeführt. Die Umfrage ist repräsentativ für die ITK- und CE-Unternehmen in Deutschland. Dazu gehören Unternehmen der Telekommunikation, Anbieter von Software und IT-Services sowie Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten, Geräten der Telekommunikationstechnik und Unterhaltungselektronik. Die Fragestellung lautete: „Wenn sie speziell an Frauen in der ITK-Branche denken, inwieweit stimmen Sie Sie den folgenden Aussagen zu oder nicht zu?“.
Meinungen zum Weltfrauentag
Angelique de Vries, Präsidentin EMEA von Workday, erklärt: „An jedem Weltfrauentag feiern wir die Leistungen der vielen unglaublichen Frauen in der Geschäftswelt. Aber trotz der positiven Schritte, die gemacht werden, hat man das Gefühl, dass immer noch mehr getan werden muss. Themen wie Gleichberechtigung, Diversität und Inklusion (D&I) dürfen keine Eintagsfliege sein. Sie müssen jeden Tag zu zentralen Bestandteilen der Strategie eines jeden Unternehmens werden. Unser gemeinsam mit Sapio Consulting erstellter Bericht „Globaler Blueprint für Zugehörigkeit und Diversität“ zeigt, dass Großbritannien anderen europäischen Ländern beim Monitoring der Vielfalt in der Belegschaft voraus ist. Die Umfrage ergab, dass fast 48 Prozent der britischen Unternehmen der Ansicht sind, dass Vielfalt in ihrem Unternehmen anerkannt, geschätzt und gefeiert wird. Im Vergleich dazu sind es weltweit nur 36 Prozent.
Unternehmen, die sich D&I zu eigen machen und kontinuierliche Fortschritte bei der Erreichung datengestützter Ziele verzeichnen, sind denjenigen überlegen, die dies nicht tun. Die Messung der D&I-Bemühungen ist der entscheidende erste Schritt, um sicherzustellen, dass sie kontinuierlich verfolgt und verbessert werden. Der Weltfrauentag ist eine gute Gelegenheit, um über D&I-Bemühungen im Allgemeinen nachzudenken und diese zu verstärken. Aber diese Diskussion sollte nicht nur einmal im Jahr stattfinden.“
Weltfrauentag: Mehr Frauen für Cybersicherheit begeistern
Clare Loveridge, Vice President and General Manager EMEA bei Arctic Wolf, kommentiert zum Weltfrauentag: „Bis 2050 werden 75 Prozent der Arbeitsplätze in MINT-Berufen sein, doch Frauen machen derzeit nur ein Viertel der Beschäftigten im Bereich Cybersicherheit aus. Daher müssen wir dringend innovative Wege finden, um dieses Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern aufzuheben und die Vertretung von Frauen in diesem Bereich zu verbessern.
Das fängt in der Schule an, wo wir Mädchen fördern und für entsprechende Felder begeistern müssen, damit sie sich später für MINT-Berufe entscheiden. Außerdem braucht es mehr weibliche Vorbilder und Frauen in Führungspositionen. Dies wird die Sichtbarkeit von Frauen am Arbeitsplatz erhöhen und so mehr Frauen und Mädchen dazu ermutigen, eine MINT-Karriere in Betracht zu ziehen. Mit vielfältigeren Talent-Pools können Unternehmen zudem kreativere Denkweisen entwickeln. Dies kann zur Entwicklung innovativer Lösungen für aktuelle Herausforderungen beitragen und Unternehmen dabei helfen, sich vor der sich rasch weiterentwickelnden Cyber-Bedrohungslandschaft zu schützen.“
EMEA bei Arctic Wolf. (Bilder: Arctic Wolf)
bei Arctic Wolf.
Digitalisierung benötigt talentierte Fachkräfte
Lisa Tetrault, Vice President, Global Security Operations bei Arctic Wolf, gibt folgende Einschätzung zum Weltfrauentag: „Noch nie war die Notwendigkeit größer, die freien Stellen in der Cybersicherheits-Branche zu besetzen. Einerseits stehen Unternehmen unter enormem wirtschaftlichem Druck und müssen teilweise ihre Sicherheitsteams verkleinern, um Geld zu sparen. Andererseits nutzen Cyberkriminelle den einfachen Zugang zu Malware-as-a-Service für ihre Attacken. Angesichts dieser angespannten Lage braucht es so viele talentierte Fachkräfte wie möglich, um digitale Umgebungen zu verteidigen und zu schützen. Genau deshalb ist es so wichtig, sich bewusst zu machen, dass weltweit nur 24 Prozent der Arbeitsplätze im Bereich Cybersicherheit von Frauen besetzt sind – und einen Dialog darüber zu führen, wie wir mehr Frauen ermutigen können, in diesen spannenden Tech-Bereich einzusteigen.“
Häufiger Ratschlag: „Werde Lehrerin, nicht Cybersicherheits-Expertin“
„Als Frau in der Cybersicherheitsbranche weiß ich aus erster Hand, wie schwierig es sein kann, hier Fuß zu fassen. Ich habe meine Leidenschaft für IT-Security durch Zufall während eines Praktikums entdeckt, als ich einem Security-Team zugeteilt wurde. Obwohl Cybersecurity schnell zu meiner Leidenschaft wurde, brauchte es mehrere Jobs, bis ich wusste, welche Sicherheitsfunktion für mich passen würde. Also Compliance, Incident Management oder Security Operations Center Management? Gleichzeitig ging es mir wie vielen anderen begabten Frauen auch heute noch. Meine Professoren und Mentoren rieten mir mit meiner Begabung für Mathematik, Lehrerin zu werden. Und nicht als Cybersicherheitsexpertin oder in einer anderen computerwissenschaftlichen Position zu arbeiten.
Eine der einfachsten Möglichkeiten für die Branche, Begeisterung für Cybersicherheit zu wecken, besteht natürlich darin, die wichtige Rolle der Frauen in der Branche weiterhin zu würdigen. Bei Konferenzen, Vorträgen und Treffen hat jeder in der Branche die Aufgabe zu zeigen, dass es sich nicht nur um einen Old Boy’s Club handelt, wie in den frühen Tagen des Silicon Valley, und dass es Platz für alle gibt. Von Community-Events und Online-Gruppen, in denen sich Frauen in der Cyberbranche vernetzen können, profitiert am Ende die ganze Branche. Starke, von Frauen geführte Netzwerke in Verbindung mit unterstützenden männlichen Allies, also Verbündeten helfen Sicherheitsunternehmen dabei, eine starke kulturelle Basis für Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration zu schaffen, die anderenfalls bei der Erfüllung von Einstellungsquoten stehen bleiben würde.“
Weltfrauentag: Kultur der Fairness führt zu mehr Vielfalt
Und hier ein Kommentar von Udeshika Ratnavira, Vice President, Human Resources & Administration bei WSO2, zum Weltfrauentag: „Laut einer aktuellen McKinsey Studie könnte ein höherer Frauenanteil in Technologieberufen das Wirtschaftswachstum in Europa ankurbeln. In den EU-Mitgliedstaaten sind bislang nur 22 Prozent Frauen in der Technologiebranche tätig. Gelänge es den Frauenanteil bis 2027 zu verdoppeln, könnte das BIP der EU-Länder sich verdoppeln. Bei der Diskussion über Vielfalt und Integration muss man immer bedenken, dass die Technologiebranche aus vielen Unternehmen besteht. Jedes Unternehmen muss seinen Teil dazu beitragen, damit die Branche als Ganzes den richtigen Weg zur Gleichberechtigung einschlägt. Man muss, als weibliche Führungsperson immer darauf achten, sich von der überkommenen männerdominierten Kultur zu lösen und ein integratives Arbeitsumfeld zu schaffen. Dies ist ein fortlaufender Prozess der konsequente Einsatz erfordert.
WSO2 zum Beispiel stellt nicht nach einer bestimmten Quote ein, sondern ermittelt in einem Auswahlverfahren den besten Kandidaten oder die beste Kandidatin für die jeweilige Stelle. Um sicherzustellen, dass geschlechtsspezifische Vorurteile vermieden werden, muss immer ein umfassendes Feedback darüber gegeben werden, warum ein Bewerber oder eine Bewerberin nicht ausgewählt wurde. Ist die Begründung zu vage, kann der Bewerber oder die Bewerberin zu einem weiteren Gespräch eingeladen werden. So werden Einstellungsentscheidungen ausschließlich auf der Grundlage von Qualifikation getroffen. Bei WSO2 sind beispielsweise 25 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Und beim Developer-Relations-Team liegt die Frauenquote bei 57 Prozent.
Bildung als Schlüssel zur Gleichberechtigung
Der Weltfrauentag zeigt, dass Gleichberechtigung bei der Bildung anfängt. Dies erfordert ein Umdenken, denn technische Berufe werden Frauen oft nicht als Karriereoption empfohlen. Laut Statistischem Bundesamt waren in den Studienjahren 2019 bis 22 nur 20 Prozent der Studierenden in den MINT-Studiengängen weiblich. Diese Zahlen haben sich im Vergleich zu den Vorjahren zwar minimal erhöht. Grund- und weiterführende Schulen müssen aber weiterhin positive Botschaften über Technologiekarrieren für Frauen aufzeigen. Die enge Zusammenarbeit von Bildungsinstitutionen und IT-Unternehmen muss eine höhere Einschreibungsrate von Frauen in die Informatikberufe vorantreiben.
Vorbilder wie Sanjiva Weerawarana, Gründer und CEO von WSO2, sind inspirierend und wichtig. Sie schaffen eine Kultur der Offenheit, Fairness und Kommunikation und leben diese Werte vor. Advocacy ist ein wichtiger Schritt, um Vorurteile abzubauen. Geschlechtsspezifische Voreingenommenheit und spezifische Arbeitsplatzkulturen, in denen sich Frauen nicht wohlfühlen, müssen konsequent im gesamten Unternehmen angegangen werden. Um die geschlechtsspezifischen Erwartungen zu durchbrechen, müssen Frauen sich „empowered“ fühlen, auf ihre eigene Art und Weise zu arbeiten. Dies kann durch einen lösungsorientierten Denkansatz, eine offene und transparente Kommunikation sowie die Beseitigung von Vorurteilen erreicht werden. Der Aufbau einer Kommunikationskultur und des Vertrauens kommt dem gesamten Unternehmen zugute.
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Aufmacherbild: Gorodenkoff – stock.adobe.com
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