08.02.2022 – Kategorie: Digitale Transformation
UX-Design: Das sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung
Das UX-Design stellt Nutzer und ihre Bedürfnisse in den Vordergrund. Gleichzeitig müssen aber die Produktgestalter die technischen Voraussetzungen beachten. Wie Unternehmen die Herausforderungen bei der Umsetzung meistern.
Um Produkte im Sinne der Nutzer gestalten zu können, muss das Team für die Umsetzung von UX-Design genügend Informationen zu den Wünschen, Problemen und Verhaltensweisen der potenziellen User haben. Das Wort „genügend“ ist hier entscheidend. In der Praxis kommt es häufig vor, dass Designer entweder zu viele oder gar keine Daten vom Auftraggeber bekommen. Im ersten Fall sind die Daten oft unübersichtlich und chaotisch. Um die Information richtig einordnen zu können, benötigen Designer weitere Angaben: Wann, wie und warum wurden die Daten gesammelt? Im zweiten Fall – wenn gar keine gibt – ist die Situation noch schwieriger. Denn Bauchgefühl, Intuition und wolkige Vorstellungen sind nicht genug, um ein erfolgreiches Produkt auf den Markt zu bringen. Jeder Schritt im Gestaltungsprozess muss validiert werden – auch wenn das Zeit und Geld kostet.
UX-Design: Daten auswerten und Dark Patterns vermeiden
Was ist die Lösung? Liegen keine Nutzerdaten vor, müssen diese vorab gesammelt und vor allem aufbereitet werden. Die Designer können sich an diesem Erkundungsprozess beteiligen, indem sie die notwendigen Forschungsfragen formulieren. Wenn zu viele Informationen zur Verfügung stehen, muss das Design-Team die Datenlage auswerten, um sich einen klaren Überblick über die Situation zu verschaffen. Bei Bedarf engagiert man einen Datenanalysten – im Grunde ist ein solcher aber sowieso empfehlenswert.
Unerwünschte Einkäufe, Newsletter und Dienste, die sich nur schwer abbestellen lassen, oder auch Zustimmungen, die versehentlich erteilt wurden: Dark Patterns sind die dunkle Seite des UX-Designs. Dieser Begriff ist eine Sammelbezeichnung für Tricks, die Nutzer verwirren und so zur ungewollten Handlung verleiten. Weil sie gegen und nicht für den Nutzer eingesetzt werden, sind Dark Patterns der Inbegriff des schlechten UX-Designs. Wer sie nutzt, vergisst die Prinzipien des nutzerzentrierten Designs, handelt unethisch und stellt die Interessen des Unternehmens vor die Erwartungen der User. Dies kann fatale Folgen haben: Die Nutzer ärgern sich und wollen mit dem Produkt nichts mehr zu tun haben. Das kostet vor allem Vertrauen und schadet dem Ruf einer Firma.
Gratwanderung zwischen Geschäftszielen und Bedürfnissen der User
Die Herausforderung bei UX-Design ist die Gratwanderung zwischen den Geschäftszielen des Unternehmens und ihrem eigentlichen Auftrag – die Bedürfnisse der User zu erkennen und zu erfüllen. Für jedes Unternehmen sind Umsätze wichtig und die meisten Webseiten und Apps entstehen, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zu verkaufen. Aus Sicht der UX-Designer gibt es jedoch keinen Grund, die eigenen Nutzer zu manipulieren oder sie davon abzuhalten, die unerwünschte Leistung abzubestellen.
Für die UX-Designer ist die Lage klar: Wer eine Leistung abbestellen möchte, ist unzufrieden. Das ist eine wichtige Information für das Unternehmen. Es ist also sehr sinnvoll herauszufinden, warum die Leute gehen, anstatt die Nutzer an die App, den Newsletter oder das Abo zu binden. Durch das nützliche Feedback kann das Online-Erlebnis stetig angepasst werden, um künftige Nutzer zu halten. Wer mehr über die Bedürfnisse und Pain Points der Kunden erfährt, kann das Produkt verbessern.
UX-Design: Testen, Testen und nochmals Testen
Die 3G-Regel in der Welt des UX-Design lautet: Testen, Testen, Testen. Warum ist das so wichtig? Korrekt durchgeführte User-Tests sind Voraussetzung dafür, dass eine große finanzielle Investition in die Weiterentwicklung des Produkts tatsächlich Sinn ergibt. Auch wenn eine Idee sinnvoll erscheint, muss sie in erster Linie validiert werden.
Ein Beispiel verdeutlich dies: Ein Kunde wendet sich an eine Entwicklungsfirma mit einer Produktidee. Auf den ersten Blick erscheint die Idee relevant und wertvoll. Aber: Anstatt das Entwicklungsteam direkt mit der Implementierung zu beauftragen, führt das Design-Team einen ausführlichen User-Test durch und stellt fest, dass potenzielle User doch kein Interesse an dem Produkt haben. Der Kunde ist natürlich enttäuscht. Letztendlich kann er aber viel Zeit und Geld sparen.
Das Problem: Viele Auftraggeber sind skeptisch gegenüber User Testing. Sie glauben nämlich, dass Tests zeitaufwändig und teuer sind. In der Tat kann aber eine Testrunde innerhalb von eins bis drei Wochen vollendet werden. Auch wenn aktuell keine Tests vor Ort stattfinden können, sind sie ohne Probleme remote durchzuführen. Diese haben sogar einen weiteren Vorteil: Es können Probanden aus der ganzen Welt teilnehmen – denn alles, was sie brauchen, ist eine stabile Internetverbindung.
Barrierefreiheit ist für alle Nutzer relevant
Wenn ich jung und körperlich fit bin, ist Barrierefreiheit kein Thema für mich – stimmt’s? Nicht wirklich. Alle Menschen laufen Gefahr, irgendwann im Laufe ihres Lebens einer temporären oder permanenten Beeinträchtigung gegenüber zu stehen. Zum Beispiel, wenn sie eine Augenoperation hatten, wenn sie gerade starke Sonne blendet oder wenn sie versuchen, ihr Telefon zu bedienen und gleichzeitig unterwegs sind. Gut gestaltete Produkte sind für alle zugänglich, unabhängig von körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Denn es ist sowohl ethisch als auch wirtschaftlich sinnlos, bestimmte Bevölkerungsgruppen als Nutzer auszuschließen.
Die Schwierigkeit? Barrierefreies Design kann nur in guter Zusammenarbeit zwischen Designern und Entwicklern erfolgen. Dabei lassen sich barrierefreie Lösungen nicht immer leicht implementieren, weil Zugänglichkeit bei vielen bestehenden Webseiten und Apps nicht berücksichtigt wurde. Deshalb lohnt es sich immer, Barrierefreiheit von Anfang an in der Produktentwicklung mitzudenken.
Konkurrenzanalyse kann Nutzer-Analyse nicht ersetzen
Konkurrenzanalyse ist einer der wichtigsten Schritte in der frühen Phase von Produktentwicklung. Doch es gilt auch: Konkurrenzanalyse kann die Erforschung der eigentlichen Bedürfnisse der zukünftigen Nutzer nicht ersetzen. Im Idealfall sollen neue Produkte nicht nur besser als das Angebot der Wettbewerber sein, sondern auch die tatsächlichen Probleme der Zielgruppe lösen.
Tasten, die schwer zu finden sind, komische Verlinkungen, unlesbare Texte: Niemand hat heutzutage Zeit, um sich mit schlechtem UX-Design auseinanderzusetzen. Usability und Zufriedenheit der Nutzer sind die wichtigste Voraussetzung für ein gelungenes Produkt. Doch gutes UX-Design fällt nicht vom Himmel. Es lohnt sich also, in User Tests, Validierung, Datenanalyse und gut implementierte barrierefreie Lösungen zu investieren. Um ein Produkt mit echtem Mehrwert zu entwickeln, muss man die Pain Points seiner Nutzer verstehen, genügend Tests durchführen und sicherstellen, dass die Anwendung allen zugänglich ist. Und sich von Dark Patterns fernhalten, die User nur verärgern.
Über den Autor: Indrek Ulst ist Mitgründer von Mooncascade und aktuell als Technical Sales Engineer tätig. Seine Karriere begann im Jahr 2000 als freiberuflicher Webentwickler im Alter von erst 15 Jahren. Im Laufe der letzten Jahre war Indrek bei Mooncascade in verschiedenen Positionen tätig: CTO, Interim-CEO und nun Technical Sales Engineer. In leitender Position war er maßgeblich an verschiedenen Produktentwicklungs-Projekten beteiligt, unter anderem für Unicorns wie Wise, Monese und Tune. Mooncascade wurde im Jahr 2009 von den Software-Ingenieuren Ahti Liin, Asko Seeba, Indrek Ulst und Priit Salumaa in Tartu gegründet. Das Unternehmen unterstützt bei der digitalen Produktentwicklung. Diese reicht von der Beratung bis hin zu Design- und Softwareentwicklung – ob zu Geschäftszielen, Wiederbelebung bestehender Services oder der Einführung neuer Fintech-Produkte. (sg)
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