16.07.2013 – Kategorie: Marketing

Trends im E-Mail-Marketing & Praxistipps

ECM: Ein Kunde gibt Daten ein und bricht dann den Vorgang ab. Diese Daten darf man eigentlich nicht für weitere Marketingaktionen verwenden, viele Unternehmen nutzen sie aber dennoch im Sinne eines Retargeting. Was halten Sie davon? Worauf sollten Unternehmen hier achten?

René Kulka: Wirtschaftlich gesehen sind Maßnahmen wie die gezielte Ansprache von Warenkorbabbrechern per E-Mail absolut sinnvoll. Allerdings muss die Privatsphäre der kontaktierten Personen immer gewahrt bleiben. Ein Opt-out – also die Möglichkeit des Widerspruchs – halte ich in diesem hochsensiblen Bereich für die Minimal-Lösung.

Nikolaus von Graeve: Als Vertreter des Bereichs E-Mail-Marketing bin ich Permission-getrieben. Das bedeutet, ich setze zu 100 Prozent auf das freiwillig erteilte Einverständnis der Empfänger, um diese gezielt mit für sie relevanten Informationen zu einem Kauf zu motivieren. Was das Retargeting durch das Setzen eines Cookies betrifft, sobald ein potenzieller Käufer nach bestimmten Informationen sucht, bin ich der Überzeugung, dass Kunden dies in Zukunft verstärkt erwarten. Schließlich geht es hier um relevante Informationen als Antwort auf ein zuvor geäußertes Interesse. Nutzen Unternehmen in diesem Zusammenhang ihre Chance, eine einwandfreie Permission vom jeweiligen Kaufinteressenten einzuholen, wurde alles richtig gemacht.

Axel R. Paesike: Jedem Unternehmen ist es absolut anzuraten, sich gemäß der deutschen Gesetze zu verhalten und die Kunden in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die Art der Nutzung der Daten hinzuweisen. Nur so kann von vorneherein ein möglicher Konflikt mit § 15 des Telemediengesetzes vermieden werden. Das gilt im Übrigen natürlich nicht nur für den Bereich Retargeting im Online-Marketing.

Martin Bucher: Wenn ein Kunde seine Dateneingabe abbricht, hat er dem Unternehmen keine Legitimation für die Verwendung dieser Daten erteilt. Unternehmen sollten darauf achten, fair mit ihren Kunden umzugehen. Und dazu gehört auch, in so einem Fall die Daten weder zu speichern noch zu nutzen.

Stefan von Lieven: Die Abgabe von Daten erfolgt immer mit einer Zweckbindung. Wenn der Zweck ein Einkauf war, dieser jedoch nicht abgeschlossen wurde, dürfen die Daten nicht verwendet werden. Dieses Problem kann man umgehen, sofern die Daten bereits vorher bekannt waren – wenn es sich beispielsweise um einen Bestandskunden handelt, der bereits ein ausreichendes Werbe-Opt-In abgegeben hat. Es kann ebenfalls gelöst werden, wenn die Abfrage eines Webe-Opt-Ins vor der eigentlichen Bestell-Absendung erfolgt – die Registrierung im Bestellprozess also mehrstufig ist und die Zustimmung zur Datennutzung nicht erst mit dem Kauf erfolgt. Andere Möglichkeiten des Retargetings, die nicht auf die  personenbezogenen Daten zurückgreifen, sind auch denkbar.

ECM: Wie sieht für Sie eine gelungene Post-Conversion-Kampagne aus?

Martin Bucher: Beispielsweise könnte ein Drucker-Anbieter in einer Post-Conversion-Kampagne Kunden einige Zeit nach dem Kauf eines Druckers neue Druckerpatronen anbieten. Gelungene Post-Conversion-Kampagnen bieten dem Kunden zum richtigen Zeitpunkt neues Verbrauchsmaterial, ergänzende Dienstleistungen oder passendes Zubehör an. Die Krux dabei ist, den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen.

René Kulka: Die Ausgestaltung solcher Kampagnen hängt von dem beworbenen Produkt oder Angebot ab. Für diverse Produkte eignen sich besonders mehrstufige Kampagnen, die neben einem Dankeschön für den Kauf und der Versandbestätigung auch eine zeitlich nachgelagerte Zufriedenheitsbefragung umfassen. Zudem kann die Kampagne Erinnerungsmails einschließen, die am Ende des Gebrauchszyklus für eine erneute Beschaffung oder nach dem Garantieablauf mit einem passenden Angebot versendet werden.

Stefan von Lieven: Die kontinuierliche und  zielgerichtete Entwicklung von Kundenbeziehungen ist essenziell. Dies beginnt spätestens mit der Conversion – wird aber leider oft sträflich vernachlässigt. Typische Kampagnen sind mehrstufig, beginnend mit einem Dank für den Einkauf, bei Neukunden mit dem Hinweis auf das weitere Procedere beziehungsweise die besonderen Leistungen des Anbieters, mit Cross- und Upsells sowie – ganz wichtig – mit der Option der Weiterempfehlung. Dies kann direkt als charmante Aufforderung erfolgen, oder indirekt, beispielsweise durch die Option, das neu erstandene Produkt seinem Freundeskreis im sozialen Netzwerk mitzuteilen. Mit Rabatten für den nächsten Einkauf sollte hingegen vorsichtig umgegangen werden, um Rabatt-Follow-Ups nicht zu „trainieren“  und um zumindest die Rücksendefrist abzuwarten.

Axel R. Paesike: Gemäß dem Motto „nach dem Kauf ist vor dem Kauf“ muss eine entsprechende Kampagne auf jeden Fall an diese Situation angepasst sein, um auch erfolgreich zu sein. Aus Marketingsicht können hier beispielsweise Cross- und Up-Sell-Angebote eine sehr gute Option darstellen, um den Kunden zum erneuten Kauf anzuregen.

Sven Graehl: Für eine gelingende Post-Conversion-Kampagne ist es zentral, einen glaubwürdigen Bezug herzustellen zwischen dem bereits gekauften Artikel und dem neuen Angebot. Von einer einleitenden Frage nach der Zufriedenheit mit dem gekauften Artikel oder der Bitte um eine Bewertung der Transaktion kann der Bogen gespannt werden zu ergänzenden Angeboten und Empfehlungen wie passendem Zubehör. Damit dem Kunden auch wirklich die jeweils bestmöglich passenden Angebote angezeigt werden, ist eine professionelle Cross Selling- beziehungsweise Recommendation-Lösung wie etwa econda Cross Sell unumgänglich.

Nikolaus von Graeve: Ich verstehe darunter ein durchdachtes, in sich geschlossenes System in mehreren Stufen von einer zeitlich begrenzt erteilten Permission bis zur Conversion. Im Idealfall führt eine solche Kampagne dann zu einer Transaktion, in deren Kontext in Einklang mit §7 UWG, Absatz 3, auch noch ohne expliziten Klick zur Einverständniserklärung rechtssicher eine unbefristete Permission eingeholt wird. Oder – sollte ein Kauf ausbleiben – zumindest im Einholen einer unbefristeten Permission, die es erlaubt, den Kontakt zum potenziellen Käufer zu halten und ihn durch gezielte Kommunikationsmaßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt doch noch zu einem Kunden zu machen.

ECM: Was ist ihrer Meinung nach die interessanteste psychologische Komponente beim E-Mail-Marketing?

Axel R. Paesike: Eine herausragende Rolle spielt der so genannte Impulskauf eines Empfängers. Das auslösende Moment ist hierbei ein relevantes Angebot, basierend auf Interesse, Profil oder dem optimalen Zustellzeitpunkt einer Kampagne. Aus theoretischer Perspektive kommt hier der Uses-and-Gratification-Ansatz zum Tragen.

Nikolaus von Graeve: Der Grundsatz des Permission Marketing ist die ausdrückliche Einwilligung des Empfängers in den Erhalt von E-Mailings mit werblichen Inhalten. Für den Absender ergibt sich daraus die Pflicht, sich ausführlich mit dem Nutzen der von ihm verbreiteten Inhalte für jeden einzelnen Empfänger auseinanderzusetzen. Immerhin vertraut ein Newsletter-Abonnement im Moment seiner Einwilligung darauf, vom Absender künftig regelmäßig mit Nutzen stiftenden Inhalten – Angeboten und/oder Informationen nach Maß – für dieses Vertrauen belohnt zu werden. Wird das Vertrauen jedoch durch irrelevante Inhalte enttäuscht, kann es schnell wieder entzogen werden.

Martin Bucher: Neue Abonnenten haben anfänglich einen starken Bezug zur Marke – denn sie haben gerade eben erst dem Unternehmen die Erlaubnis erteilt, ihnen eine regelmäßige E-Mail zu senden. Die hohe Kunst im E-Mail-Marketing besteht darin, diese Spannung aufrechtzuerhalten und aus interessierten Empfängern echte Fans werden zu lassen, die neue Newsletter begierig öffnen, den Inhalt aufmerksam lesen und die gewünschte Aktion ausführen. Apple ist das in seinen Newslettern gelungen.

René Kulka: Besonders interessant finde ich die „Ereigniskette“, den Nutzer mit einer griffigen Betreffzeile zur Newsletter-Öffnung zu bringen, ihn anschließend im Vorschaufenster zum Weiterlesen zu animieren und schließlich im E-Mail-Körper zum Klicken zu bringen. Angesichts der Vielzahl an täglichen E-Mails und der Fülle an Kanälen ist es eine ständige Herausforderung, durch den richtigen Stimulus die gewünschte Response zu erzeugen.

Stefan von Lieven: Das spannendste am E-Mail Marketing ist die Möglichkeit der exakten Messung von Reaktionen in den Zielgruppen. Alle verhaltensbezogenen Effekte können durch Tests vorab ermittelt werden, um ohne kompliziertes theoretisches Modell und diskussionsfrei die optimalen Ergebnisse zu erreichen. Dabei entstehen zum Teil kuriose Ergebnisse – wie eine signifikant höhere Klickrate – nur weil ein Bild rechts statt links ausgerichtet ist.

ECM: RSS oder E-Mail-Newsletter? Was wird sich künftig durchsetzen?

René Kulka: RSS-Feeds haben die in der Vergangenheit gehegten Erwartungen bislang nicht erfüllt. E-Mail-Newsletter bieten eine deutlich größere Reichweite – ganz besonders für werbliche Informationen. Aber E-Mail-Marketing und RSS sind komplementär und ergänzen sich.

Stefan von Lieven: Die Zukunft liegt in granularen, passgenauen und präzise im individuellen Kundenverhalten ausgelösten sowie an das Format des Touchpoints ausgerichteten Kampagnen. RSS liefert hier ein technisches Austauschformat, zum Beispiel für Apps oder auf Affiliate-Sites. Als direkter Kanal zum Endkunden ist RSS nicht mehr relevant. Die E-Mail erfreut sich indes nach wie vor deutlichen Wachstums – insbesondere auch in der mobilen Zielgruppe. Der klassische Broadcast-Newsletter ist dabei zunehmend nicht mehr Stand des Marketings.

Nikolaus von Graeve: Nun, E-Mailings haben sich längst durchgesetzt. RSS-Feeds haben ebenfalls ihre Daseinsberechtigung – allerdings im News-Bereich und nicht im E-Commerce-Umfeld.

Martin Bucher: RSS ist die Quelle einzelner unpersonalisierter Meldungen, die oft von anderen Tools wie Feed-Aggregatoren zusammengestellt und aufbereitet werden. Auch E-Mail-Marketingsysteme wie Inxmail Professional können RSS-Feeds einlesen und in Newsletter einbauen. E-Mail-Marketing aber ist das direkt vom Marketer gestaltete Markenerlebnis. Im E-Mail-Newsletter hat das werbende Unternehmen die Bühne ganz alleine für sich. Eine tolle Möglichkeit, sich und seine Marke in Szene zu setzen. Das kann RSS nicht leisten.

Axel R. Paesike: Da es ausreichende Verwendungsspielraum und Einsatzmöglichkeiten gibt, werden RSS-Feeds und E-Mail-Newsletter auch weiterhin parallel existieren. Der RSS-Feed wird als Pull-Mechanismus vorwiegend für die Informationsbeschaffung genutzt und auch für Marketing-Zwecke immer relevanter. Die personalisierten Angebote des E-Mail-Newsletters können Feeds jedoch nicht ersetzen.

ECM: Was ist Ihr persönlicher Tipp, damit die E-Mail nicht im Spamfilter landet?

Stefan von Lieven: Die erfolgreiche Zustellung von E-Mails hat sehr viele Faktoren. Neben technischen Maßnahmen wie Whitelisting und geeignete IT-Konfiguration werden mehr und mehr Faktoren wie Inhalt und die Beziehung zum Absender wichtig. Hier empfiehlt es sich, mit geeigneten und zertifizierten Dienstleistern zusammenzuarbeiten.

René Kulka: Für die Zustellung bei deutschsprachigen E-Mail-Diensten wie GMX oder Web.de sollte der Versanddienstleister zumindest an dem Whitelisting-Programm „Certified Senders Alliance“ (CSA) der Verbände DDV und eco teilnehmen. Darüber hinaus halte ich ein Spam-Scoring vor dem Versand für sinnvoll. Der Marketer kann dadurch etwaige Zustellungsprobleme frühzeitig erkennen und gegebenenfalls gezielt gegensteuern.

Martin Bucher: Einen CSA-zertifizierten Versender mit guter Reputation nutzen – wie Inxmail. Die E-Mail vor dem Versand einem Spam-Check unterziehen. Dateianhänge vermeiden. Zu große E-Mails vermeiden. Inhalte schreiben, die gern geklickt werden – denn zu viele Spam-Beschwerden verringern die eigene Reputation.

Axel R. Paesike: Grundsätzlich sollte jede Nachricht auf Zustellbarkeit und optimierte Darstellung geprüft werden. Die etablierten Systeme bieten diese Vorabtests selbstverständlich an. Zudem müssen die Inhalte der E-Mailings relevant für die jeweiligen Empfängergruppen sein, um die Reputation des jeweiligen Newsletters zu steigern.

Nikolaus von Graeve: Dazu gehören technische Aspekte ebenso, wie inhaltliche. Professionelle E-Mail-Versandsysteme helfen hier bereits wirkungsvoll weiter und sorgen für eine maximale Zustellbarkeit der E-Mails. Die größte Herausforderung besteht vielmehr darin, zu erreichen, dass ein Newsletter-Abonnent bei Nichterhalt von sich aus die Frage stellt: „Wo bleibt nur meine sehnsüchtig erwartete E-Mail?“ Dies erreicht man durch bedingungslose Relevanz und maximalen Nutzen.

ECM: Viele Unternehmen hadern damit, wie sie ihre Kunden anreden sollten. Sehr geehrter Herr XY, Guten Tag Herr XY, Anrede ohne Namen, Lieber Herr XY, Hallo Herr XY… Was ist Ihr persönlicher Favorit und weswegen? 

Nikolaus von Graeve: Einen persönlichen Favoriten habe ich nicht. Es ist viel wichtiger, sich bei der Auswahl der Anrede die Frage zu stellen, wie man die Empfänger am Telefon oder auf einer Webseite ansprechen würde. Daraus ergibt sich in Abhängigkeit von der jeweiligen Zielgruppe schnell die richtige Ansprache. Wichtig ist hier nur, dass die Empfänger unabhängig von der Grußformel ernst genommen werden. Zudem sollte beim Verteileraufbau möglichst darauf geachtet werden, qualifizierte Daten zu sammeln, die eine möglichst persönliche Anrede erlauben, um pauschale und unpersönliche Anreden zu vermeiden.

Axel R. Paesike: Die Frage muss genau anders herum gestellt werden: Warum sollte ich als Unternehmen entscheiden, wie der Kunde angesprochen werden möchte? Wenn der Kunde sich mit meinem Unternehmen und meinem Produkt identifizieren soll, biete ich ihm per Profilverwaltung die Option, die Anrede einfach selbst festzulegen. Natürlich ist zu beachten, dass dies branchenspezifisch differenziert werden muss.

Martin Bucher: Das hängt vom Typ des Newsletters und des Inhalts ab. Es muss einfach passen. Einige Newsletter fangen mit einer vom Redakteur geschriebenen Einleitung an. Hier passt eine persönliche Anrede sehr gut: Je nach Marke vom saloppen „Hallo Herr XY“ bis zum eher steifen „Sehr geehrter Herr XY“. Das „Lieber Herr XY“ gefällt mir persönlich überhaupt nicht. Die Unternehmen sollten die Abonnenten im Newsletter genau so anreden, wie sie es mit Kunden tun – werden Kunden in den E-Mails mit „Hallo“ angesprochen, sollte sich das auch auf den Newsletter auswirken. Steht bei Newslettern eher das Produkt im Vordergrund, sollten die teilweise gekünstelte Einleitung und damit auch die Anrede vollständig entfallen. Das ist ehrlicher.

René Kulka: Ich selbst fühle mich mit „Hallo Herr Kulka“ oder „Lieber Herr Kulka“ am besten abgeholt. Beide Anreden passen zu jeder Tages- und Nachtzeit und sind der optimale Kompromiss zwischen einer persönlichen und förmlichen Ansprache. Diese Anrede muss aber zu der angesprochenen Zielgruppe passen – ansonsten wirkt das „Hallo“ kühl und das „Liebe/r“ anbiedernd.

Stefan von Lieven: Die passende Anrede ist vollständig zielgruppenspezifisch. Generell wird die Ansprache weniger formell und der Dialog per E-Mail wird persönlicher. Zu plump sollte es natürlich nicht sein. Wir sprechen in unserer Kommunikation mit Lieber Herr/Frau Nachname an.

Die Interviewpartner:

Martin Bucher, Managing Director Inxmail

Nikolaus von Graeve, Geschäftsführer Rabbit eMarketing

Sven Graehl, Managing Director, Econda

René Kulka, E-Mail Marketing Evangelist Optivo

Stefan von Lieven, CEO Artegic

Axel R. Paesike, Country Manager Emailvision

Dieser Beitrag erschien erstmals im Schwerpunkt E-Mail-Marketing, e-commerce Magazin 04/2012


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