10.11.2015 – Kategorie: IT

Stickstoff für den Brandschutz im RZ

Im Juli 2014 nahm das Darmstädter Rechenzentrum DARZ seinen Betrieb auf.

Die besonderen baulichen Bedingungen des Darmstädter Rechenzentrums DARZ machten eine ausgeklügelte Brandschutzanlage erforderlich. Der Betreiber entschied sich daher für eine FirExting-Gaslöschanlage von Wagner auf Stickstoffbasis.

Die 2010 gegründete DARZ GmbH bietet in ihrem Darmstädter Rechenzentrum als Full-IT-Service-Provider Colocation/Housing, Managed Ser­vices und andere Datacenter-Dienstleistungen in einem ungewöhnlichen Ambiente an. Das Rechenzentrum befindet sich im ehemaligen Tresorgebäude der Hessischen Landesbank und weist die wahrscheinlich höchste bauseitige Sicherheitsstufe aller Rechenzentren in Deutschland auf.
Das in den späten 1980er Jahren errichtete zentral gelegene Gebäude mit seiner auffälligen weißen Fassade beherbergte von 1988 bis 2005 die Gold- und Bargeldreserven der Hessischen Landeszentralbank. Die physische Sicherheit des Gebäudes zeigt sich in der Bauweise von meterdicken Wänden, schuss- und granatensicheren Panzerglasscheiben sowie der Ausführung des Tresorbereichs als explosions- und erdbebensicheres „Gebäude im Gebäude“. Ein idealer baulicher Grundschutz. Nach umfänglichen Umbaumaßnahmen, insbesondere der Installation neuer redundanter Gebäudetechnik zur Nutzung als Rechenzentrum, nahm die DARZ GmbH das neue Datacenter mit 5,2 MW Gesamtleistung im Juli 2014 in Betrieb.

Preisgekröntes Green-IT-Rechenzentrum

„Zum geerbten baulichen Schutz haben wir noch die passende hochsichere Infrastruktur verbaut“, erklärt DARZ-Gründer und Geschäftsführer Sergey Mirochnik und präzisiert: „Unser Konzept sieht vor, Gefahren zu vermeiden, bevor diese entstehen. Das ist auch mit enormen Kosten verbunden. Wir sind aber überzeugt, dass unsere Kunden in dieser insbesondere für Daten gefährlichen Zeit unsere Bemühungen und Investitionen zu schätzen wissen.“ Das Potenzial des Standortes für ein Colocation-Rechenzentrum ergibt sich zudem aus der Lage: Darmstadt ist nur rund 30 Kilometer vom größten Internet-Austauschknoten der Welt, Frankfurt am Main, entfernt und mit seiner Technischen Universität, drei Fraunhofer-Instituten, diversen ortsansässigen IT-Verbänden und einer städtischen IT-Cluster-Einrichtung ein wichtiger Standort der ITK-Branche.

Das DARZ in Darmstadt.

 

Darüber hinaus ermöglicht die Distanz von 30 Kilometern bei gleichzeitig vollredundanter und kreuzungsfreier Glasfaseranbindung nach Frankfurt die Realisierung von Dualdatacenter-Lösungen nach höchster Schutzkategorie für Banken und Versicherungen (Basel III, Luxemburger Verordnung). Mit der Errichtung einer hochwertigen Datacenter-Infrastruktur (TÜV Level III+/Tier 3+) wollte die DARZ GmbH diese IT-Landschaft abrunden – getreu ihrem Motto: „Daten sind mehr wert als Gold!“. Das Gesamtkonzept in puncto Green-IT mit indirekt freier Kühlung wurde bereits mit dem Deutschen Rechenzentrumspreis 2015 in der Kategorie „Gesamtheitliche Energieeffizienz im Rechenzentrum“ prämiert.
Die ständige Verfügbarkeit von Daten und die möglichst komplette Vermeidung von Ausfallzeiten sind für heutige Unternehmen lebenswichtig. Wenn ein Unternehmen – wie bei der DARZ GmbH der Fall – Rechenzentrumskapazitäten als Dienstleister anbietet, gilt das in gewisser Weise noch mehr. Denn in diesem Fall trägt das Unternehmen nicht nur für seine eigenen Daten die Verantwortung, sondern speziell für die seiner Kunden. Entsprechend hoch können die Haftungsrisiken sein. Ein Full-IT-Service-Provider wie die DARZ GmbH, die in ihrem Rechenzentrum Hardware aus dem Eigentum ihrer Kunden beherbergt, ist dabei auch für die physische Unversehrtheit dieser Hardware verantwortlich. Für das nach außen bereits stark abgesicherte Gebäude war also ein Brandschutzkonzept gefordert, das Risiken im Inneren vermeidet – und zwar vor Brandschäden als auch vor Folgeschäden durch eine mögliche Brandbekämpfung schützt.

Zertifizierte Hochsicherheit

Alle Bereiche des Gebäudes mussten mit Brandschutzlösungen ausgestattet werden, die den unterschiedlichen baulichen Gegebenheiten Rechnung tragen.
• Das Sicherheitsniveau sollte durch das VdS-Zertifikat dokumentiert sein, um den Vertrieb des DARZ mit einer vertrauenswürdigen Garantieaussage zu unterstützen.
• Eine sofortige Wirksamkeit der Löschvorrichtung und die Vermeidung von Folgeschäden in Form von Ausfallzeiten und Hardware-Defekten, die zum Datenverlust führen könnten, sind von höchster Bedeutung.
• Auch für die in normalen Gebäuden nicht anzutreffende besondere bauliche Struktur des Tresorraums musste eine geeignete Lösung gefunden werden, denn Druckentlastungsflächen für eine Gaslöschung oder Sprinklertechnik waren nicht realisierbar.

Blick ins Innere des DARZ.

 

Die Lösung

Für den IT-Bereich eignen sich gasförmige Löschmittel, die rückstandsfrei einen Brand effizient bekämpfen. Stickstoff als inertes Gas verdrängt bei Einleitung in den Löschbereich den Sauerstoff, sodass dieser nicht mehr ausreicht, um einen Brand zu nähren. Als natürlicher Bestandsteil unserer Atemluft (78 Vol.-Prozent) ist Stickstoff nicht toxisch und weist eine ähnliche Dichte wie Luft auf. Eine Bevorratung in Löschflaschenbatterien ist einfach und platzsparend zu realisieren und im Löschfall verteilt es sich schnell und homogen im Raum ohne sichtbehindernden Nebel oder Rückstände.
Aus all diesen Gründen wurde für das Darmstädter Rechenzentrum eine FirExting-Gaslöschanlage von Wagner auf Stickstoffbasis gewählt. In Kombination mit einem Ansaugrauchmeldesystem zur hochsensiblen Branddetektion sowie ergänzenden Punktmeldern können Brände im frühestmöglichen Stadium erkannt und bekämpft werden.
Das Schutzkonzept von Wagner reicht aber noch einen Schritt weiter: Gaslöschanlagen müssen, um einen Brand binnen kürzester Zeit effektiv und sicher zu löschen, das Löschgas mit hohem Druck in den zu schützenden Bereich fluten. So kam es bei konventionellen Stickstofflöschanlagen in der Vergangenheit vor, dass das schnelle Einströmen des Gases durch die Löschdüsen einen Schalldruck von über 130 dB(A) erzeugte und erhebliche Schäden an Festplatten durch Vibration verursachte. Häufig können dabei die indirekten Schäden viel gravierender als der Brandschaden selbst sein – nicht nur in Form von vorübergehenden Server-Ausfallzeiten, sondern auch in Bezug auf Datenbeschädigungen bis hin zum Verlust. Dieses Problem hat Wagner auf den Serverflächen des DARZ-Rechenzentrums durch den Einsatz von speziell entwickelten Schalldämpfern (FirExting SILENT mit VdS-Geräteanerkennung) gelöst, die an den Löschdüsen montiert sind und den Schalldruck auf etwa 98 dB(A) verringern.

Softflutung sorgt für kleinere Druckentlastungsöffnungen

Eine weitere Besonderheit stellt die Softflutung dar. Um Druckspitzen zu Beginn des Löschvorgangs zu minimieren, wurden an den Löschmittelflaschen Durchflussregler angebracht. Durch die Softflutungseinrichtung verringert sich auch die Größe der erforderlichen Druckentlastungsöffnungen erheblich. Somit konnten die Druckentlastungen der gesamten Löschbereiche des ersten Untergeschosses des DARZ über nur ein bauseitiges F90-Kanalsystem realisiert werden. Die gesamte Druckentlastung für das erste Untergeschoss benötigt also nur eine Öffnung ins Freie. Das passt zum hohen Anspruch des DARZ in Sachen IT-Security, weil diese Konstruktion die Hochsicherheits-Gebäudehülle so intakt lässt wie nur möglich.

Aktive Brandvermeidung durch Sauerstoffreduzierung

Was das DARZ von allen Rechenzentrumsgebäuden in Deutschland unterscheidet, ist der Tresorraum. Seinem ursprünglichen Zweck entsprechend, wurde der Raum beim Bau nach außen hermetisch abgedichtet. Die beim Einsatz einer Gaslöschanlage notwendigen Bohrungen zur Druckentlastung wären deshalb mit immensem Aufwand verbunden. Deshalb kam für diesen Teil des Gebäudes auch keine Gaslöschanlage infrage, für die eine Druckentlastung beim plötzlichen Einströmen des Löschgases zwingend wäre. Stattdessen setzt man hier auf eine aktive Brandvermeidung durch Sauerstoffreduzierung. Das patentierte System OxyReduct von Wagner generiert aus der Umgebungsluft Stickstoff, führt diesen über die Lüftungsanlage in den Schutzbereich ein und senkt dort kontinuierlich den Sauerstoffanteil im Tresorraum auf eine stark brandhemmende Atmosphäre ab. Bei unter 17 Vol.-Prozent O2 ist die Entzündungsgrenze typischer IT-Materialien unterschritten und ein Brand kann sich nicht mehr entwickeln beziehungsweise ausbreiten.
Möglichst rasch das VdS-Zertifikat zu erhalten, war für die DARZ GmbH ein wichtiges Ziel, das mit der Lösung von Wagner problemlos erreicht wurde. Die Kompetenz von Wagner habe dazu wesentlich beigetragen, so Auftraggeber Mirochnik, denn: „Die größte Herausforderung ist es, alle Anforderungen verschiedener Gremien wie VdS, aber auch Feuerwehr, Baubehörde und TÜV zu erfüllen. Was für den einen gut ist, ist für den anderen unzulässig.“
Die für ein Rechenzentrum wohl einzigartige Bausubstanz machte das DARZ auch für den Projektleiter von Wagner zu etwas Besonderem. Michael Leibner, Niederlassungsleiter Frankfurt, erinnert sich: „Arbeiten in schusssicherem Spezialbeton hatten wir bisher noch nie vorgenommen. Die erforderlichen Bohrungen in diesem extrem harten Material sind eine echte Belastungsprobe für die gesamte Ausrüstung. Zudem muss man mit größter Vorsicht vorgehen. Unter diesen Umständen die Zeitpläne einzuhalten, war schon eine Herausforderung.“ Sie wurde vom Wagner-Team erfolgreich gemeistert. Im Juli 2014 nahm das Darmstädter Rechenzentrum seinen Betrieb auf. 2015 erhielt das DARZ den Deutschen Rechenzentrumspreis in der Kategorie „Gesamtheitliche Energieeffizienz im Rechenzentrum“.
Für die Jury spielte neben der Verwendung von Ökostrom und einer besonders umweltschonenden Kühlung auch eine große Rolle, dass alle Prozesse des DARZ auf Umweltverträglichkeit und Energiesparen hin ausgerichtet sind. Geschäftsführer Sergey Mirochnik hob in diesem Zusammenhang hervor, wie wichtig das Zusammenspiel aller Gewerke im Datacenter ist: „Wir haben im gesamten Bereich RZ-Infrastruktur auf die Wirkungsgrade aller Einzelkomponenten und eine energieeffiziente Regelung der Gesamtanlage großen Wert gelegt. Gemeinsam mit starken Partnern konnten wir so eines der umweltfreundlichsten Rechenzentren in Europa aufbauen.“ (ak)


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