18.03.2013 – Kategorie: IT, Management, Sonstiges, eCommerce
Sonnige Aussichten – wie Wetterdaten den Horizont der Web-Analyse erweitern
Obwohl viele Aspekte eines virtuellen Einkaufsbummels bereits detailliert ausgewertet werden können, sind gängige Analysen auf die Daten beschränkt, die unmittelbar auf der Website erfasst werden können. Das Geschehen außerhalb des Web-Shops bleibt dabei unbeobachtet und kann nicht in die Analysen einfließen. Mit diesen Methoden lässt sich nicht eindeutig klären, was einen Kauf verhindert hat: der Preis eines Handys oder der Ehepartner, der zum Spaziergang in der Sonne einlädt. Um den Einfluss von Ereignissen außerhalb des Web-Shops messbar zu machen, können Tracking-Daten mit externen Daten angereichert werden.
Ein Beispiel für solche externen Daten: Wetterdaten, die Informationen wie Temperatur, Bewölkungsgrad und Niederschlagsmenge von verschiedenen Regionen enthalten. Die Verknüpfung von Wetter- und Web-Analyse-Daten eröffnet neue Möglichkeiten, die Daten zu interpretieren. So könnte sich ergeben, dass bei schönem Wetter die Anzahl der Besucher sinkt, die Konversionsrate jedoch steigt. Schlechtwetter-Produkte können ebenso identifiziert werden wie Regionen, in denen das Wetter keinen oder nur marginalen Einfluss auf das Kaufverhalten hat.
Tracking-Daten mit regionalen Wetterverhältnissen angereichert
Tracking-Daten werden in mehreren Schritten mit Informationen zu regionalen Wetterverhältnissen angereichert: jedem Besuch im Online-Shop wird eine Herkunftsregion zugeordnet. Dies ist in den meisten Analyse-Tools bereits standardmäßig der Fall. Die Zuordnung erfolgt entweder anhand der Bestelladresse oder per GeoIP-Auflösung, bei der aus der IP-Adresse des Besuchers dessen Herkunftsregion ermittelt wird. Im nächsten Schritt werden die regionalen Wetterinformationen mit den im Web-Shop erfassten Daten anhand von Datum und Herkunftsregion zusammengeführt. Als Ergebnis dieser Verknüpfung ist jeder Besuch mit lokalen Wetterinformationen angereichert und kann hinsichtlich des zum Besuchszeitpunkt herrschenden Wetters ausgewertet werden.
Die so veredelten Tracking-Daten liefern vielfältige neue Erkenntnisse: Besucherzentrierte Auswertungen zeigen, wie das Einkaufsverhalten jedes einzelnen Besuchers vom Wetter beeinflusst wird. Betrachtet man die Aktionen eines Besuchers im Web-Shop über mehrere Besuche, kann man den Einfluss verschiedener Wetterlagen analysieren. Wie viele Seiten schaut der Besucher während einer Session an, wie lange verweilt er auf jeder Seite? Beeinflusst das Wetter, ob er kreuz und quer durch den Online-Shop „schlendert“ oder zielgerichtet Produkte kauft? Gibt es Produktempfehlungen, die je nach Wetterlage besonders häufig in den Warenkorb gelegt und gekauft werden? Bezogen auf den Gesamtumsatz dieses Besuchers: ist davon ein Großteil an Tagen mit gutem Wetter entstanden, oder ist der Besucher eher bei schlechtem Wetter in Kauflaune? Gibt es also typische Schlechtwetterkäufer?
Gibt es typische Schlechtwetterkäufer?
Erkenntnisse aus solchen besucherzentrierten Analysen sollten direkt in die Optimierung der Shopgestaltung und des Kaufprozesses einfließen. Zeichnen sich beispielsweise Besuche bei hohen Temperaturen durch eine vergleichsweise kurze Verweildauer im Shop aus, sollte dies für die Shopgestaltung in den Sommermonaten berücksichtigt werden. Mit „kurzen Wegen“ im Shop lässt sich sicherstellen, dass der Besucher schnell das Gewünschte findet und den Kauf abschließt. Haben sich durch die Analysen Produkte herauskristallisiert, die besonders bei sonnigem Wetter gefragt sind, so können diese durch eine – ebenfalls auf Wetterdaten zugreifende – Recommendation Engine besonders empfohlen werden.
Noch größeres Potenzial bietet die Aggregation der mit Wetterinformationen angereicherten Tracking-Daten: Besucher können nach aktueller Wetterlage der Herkunftsregion segmentiert werden, beispielsweise sonnig, bewölkt oder bedeckt. Die Gegenüberstellung dieser temporären Segmente ermöglicht einen direkten Vergleich verschiedener Kennzahlen wie Besuche, Bestellungen oder Umsatz.
Die Besucher wurden in drei Segmente aufgeteilt: viel, mäßiger oder kein Niederschlag zum Besuchszeitpunkt. Die Visualisierung zeigt die Verteilung der Bestellungen auf die gebildeten Segmente. Im Beispiel entfiel mehr als die Hälfte der Bestellungen am 23. August auf Besucher ohne Niederschlag (blauer Anteil des Balkens). Um adäquate Schlüsse daraus ableiten zu können, sollten diese Daten den Wetterverhältnissen im betrachteten Land am gleichen Tag gegenübergestellt werden. Das Wetter an diesem Tag ist in der Karte im Tooltip dargestellt. Sie zeigt, dass nur ein kleiner Teil des Landes keinen Niederschlag hatte. Klar zu erkennen ist, dass Besucher aus diesem Segment überdurchschnittlich viele Bestellungen getätigt haben. Obwohl an diesem Tag der überwiegende Teil des Landes und damit auch die meisten potenziellen Käufer mäßigen oder viel Niederschlag hatten, entfielen nur etwa 40 Prozent der Bestellungen auf diese Segmente.
In einem weiteren Szenario werden die Auswirkungen verschiedener Wetterlagen auf KPIs wie beispielsweise die Konversionsrate gemessen. Der Analysezeitraum umfasst typischerweise ein bis drei Monate. Die Auswirkungen werden in einer mehrstufigen Berechnung sichtbar gemacht. Am Beispiel der Kennzahl „Anzahl Bestellungen“ läuft diese Berechnung wie folgt ab: zunächst werden die Besucher nach Herkunftsregion segmentiert, so dass für alle Besucher eines Segments der gleiche Wetterverlauf beobachtet wurde. Für jedes Segment wird anschließend ein Durchschnittswert der Bestellungen pro Tag ermittelt. Für die Region Karlsruhe könnte beispielsweise errechnet werden, dass im Analysezeitraum durchschnittlich 100 Bestellungen pro Tag getätigt werden. Im nächsten Schritt wird für jede Region und jede Wetterlage jeweils die Abweichung von diesem Durchschnittswert berechnet. So gibt es an sonnigen Tagen in Karlsruhe beispielsweise täglich nur 82 Bestellungen, also 18 weniger als im wetterunabhängigen Durchschnitt, bei bewölktem Wetter hingegen sieben Bestellungen mehr als die durchschnittlichen 100 Bestellungen, also insgesamt 107 pro Tag. Die so ermittelten Abweichungen werden über den gesamten Analysezeitraum aggregiert und als prozentuale Abweichungen vom wetterunabhängigen Durchschnittswert der Kennzahl dargestellt.
Für den Beispielshop ergibt die Analyse, dass an sonnigen Tagen etwa sieben Prozent weniger Besuche erfolgen, die Konversionsrate jedoch um knapp 1 Prozent steigt. Je höher der Bewölkungsgrad, desto mehr Besuche verzeichnet der Online-Shop. Bei bedecktem Wetter erfolgen etwa drei Prozent mehr Besuche als im wetterunabhängigen Durchschnitt, die Konversionsrate liegt jedoch knapp 1,5 Prozent unter dem Durchschnitt.
Die Erkenntnisse aus dieser Analyse können in der Kampagnenplanung berücksichtigt werden. So lässt sich abhängig von der Wetterprognose vorhersagen, an welchen Tagen das Marketingbudget den besten ROI erzielen sollte. Die Aussteuerung der Kampagnen kann so optimal und kosteneffizient erfolgen.
Die Anreicherung von Tracking-Daten mit externen Informationen ist natürlich nicht auf Wetterdaten beschränkt. Es gibt viele weitere, teilweise frei verfügbare Quellen, die wertvolle Daten für die Web-Analyse bieten. Ein Beispiel dafür sind Daten des statistischen Bundesamtes, die unter anderem regionale Bevölkerungszahlen enthalten. In Verbindung mit den Web-Analyse-Daten kann für jeden Web-Shop-Besucher ermittelt werden, ob er in einer Großstadt, in einem ländlichen oder in einem städtischen Gebiet wohnt. Aggregierte Analysen auf dieser Datenbasis geben Auskunft darüber, in welchen Gebieten der Web-Shop besonders gut konvertiert, welche Werbemittel in Großstädten besser ankommen als auf dem Land und ob bestimmte Produkte in städtischen Gebieten gefragter sind als in ländlichen. Die gewonnenen Erkenntnisse können direkt in die Planung der Marketingmaßnahmen einfließen, um den Marketingmix für jedes Gebiet zu optimieren.
Durch Anreicherung der Tracking-Daten aus dem E-Commerce mit externen Daten wird das Analyse-Tool zur Datenzentrale. Externe Datenquellen bieten eine breite Palette neuer Analysemöglichkeiten und eröffnen einen nahezu vollständigen Blick auf alle die Kennzahlen beeinflussenden Faktoren. Besucher können hinsichtlich neuer Dimensionen wie Bewölkungsgrad, Niederschlagsmenge oder Bevölkerungsdichte segmentiert werden. Durch den Vergleich dieser Segmente werden die Auswirkungen externer Einflüsse auf den E-Commerce sichtbar. Gewonnene Erkenntnisse sind unmittelbar verwendbar, um die Shopgestaltung zu optimieren, Marketingmaßnahmen und -budget zu planen und Kampagnen zu optimieren.
Die Autoren:
Dr. Conny Junghans ist Data Mining Manager bei Econda, promovierte an der University of California in Davis und arbeitete unter anderem bei SAP Research in Palo Alto, CA. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sind komplexe Statistik- und Data-Mining-Projekte und deren Entwicklung bis zur Marktreife.
Dr. Philipp Sorg ist Data Mining Manager beim Karlsruher Web-Analyse-Experten Econda. Er hat Forschungserfahrungen in mehreren nationalen sowie europäischen Förderprojekten gesammelt. Neben dem Ausbau der Data-Mining-Infrastruktur zur Auswertung großer Datenmengen ist Dr. Sorg federführend zuständig für die Durchführung von Förderprojekten und Kooperationen mit Forschungseinrichtungen.
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