11.01.2022 – Kategorie: Technologie
Smart, homogen und cloudy – 8 wichtige Trends zu Edge Computing
Daten schnell und vor Ort verarbeiten ist eines der Prinzipien von Edge Computing. Doch die Technologie kann mehr: Sie kann herkömmliche Vernetzungsstrategien ersetzen und Cloud-Services zu verteilten Gesamtlösungen erweitern.
Edge Computing wird intelligenter, macht herkömmlichen Vernetzungsstrategien Konkurrenz und erweitert Cloud-Services zu verteilten Gesamtlösungen. Analysten gehen davon aus, dass künftig 75 Prozent der Daten in Firmennetzwerken über Edge Computing verarbeitet werden. Auf dem Weg dahin sollten Unternehmen acht zentrale Trends kennen.
1. Edge Computing wird intelligent mit KI und Machine Learning
Edge-Devices erhalten immer mehr Rechenkapazität. Treiber dieser Entwicklung sind Anwendungen der künstlichen Intelligenz. Die Latenzen des Cloudzugriffs sind für KI oft zu hoch, in der Industrie sind kurze Reaktionszeiten gefragt. Ein typisches Beispiel ist die Anomalie-Erkennung: Wenn es zu Störungen im Betriebsablauf kommt, müssen die KI-Systeme sofort reagieren.
Glücklicherweise sind viele Machine-Learning-Lösungen zweigeteilt in das Training der Modelle und deren Ausführung. Die Trainings-Seite erfordert Highend-Cloud-Lösungen, da große Datenmengen verarbeitet werden. Die resultierenden Modelle sind schlank und arbeiten auf Standard-Hardware in der Edge, wo kurze Antwortzeiten garantiert sind. Durch Edge-Computing wird KI somit einfacher und breiter einsetzbar. Neuen Studien zufolge nutzen schon jetzt 73 Prozent der großen Unternehmen und fast 60 Prozent kleinerer Unternehmen Machine Learning.
2. Edge Computing und 5G-Campus-Netze – das Paar der Zukunft
Vor allem Großunternehmen mit vielen Betriebsstätten und größeren Geländen werden mit der 5G-Technologie zunehmend Campus-Netzwerke aufbauen. Das sind private Netzwerke für die interne Kommunikation. Sie haben das Potenzial, eine Alternative für die Vernetzung von Sensoren, Gateways und Edge-Computing-Devices zu werden.
Bisher sind WiFi und Ethernet bei der Nutzung an der Spitze, doch 5G bietet mehr für das Industrial IoT: So können Unternehmen alle Kommunikationsanforderungen mit einem einzigen Netz umsetzen, das Bandbreiten- und Netzqualitäts-Management exzellent unterstützt. Zudem kann 5G mit Niedrigenergie-Hardware arbeiten. Ein klares Paar der Zukunft.
3. Weniger Daten: Videos vor Ort verarbeiten
Bei der Überwachung von Gebäuden und Betriebsgeländen oder der Objekterkennung in Fertigungsprozessen helfen Echtzeit-Videostreams zusammen mit Künstlicher Intelligenz. Doch hochauflösende Kameras erzeugen enorme Datenströme – bei einer 8K-Kamera können das schon mal 100 Mbit pro Sekunde und Kamera sein. Eine Auswertung aller Kameraströme in der Cloud ist unrealistisch, die automatisierte Erkennung von Alarmsituationen – etwa im öffentlichen Verkehr das Betreten des Gleiskörpers oder das Abstellen unbeaufsichtigter Gepäckstücke – muss vor Ort erfolgen. Dafür haben sich leistungsfähige Edge-Server etabliert, die mit ihrer hohen Rechenkapazität die Kamera-Feeds in Echtzeit voranalysieren und nur relevantes Material in die Cloud übertragen, bei Bedarf auch Alarme auslösen. Mit dem kommenden Jahr wird diese Entwicklung noch weiter voranschreiten.
4. Mehr Kontrolle: Ohne Edge Computing keine digitalen Zwillinge
Die Nachbildung von Strukturen oder Prozessen mit einem Digitalen Zwilling gehört zu den erfolgreichsten Anwendungen der Industrie 4.0. Die Idee dahinter: Parallel zu den tatsächlichen Produktionsprozessen laufen im Computer in Echtzeit mit Daten gefütterte virtuelle Prozesse ab. Sie werden für Monitoring, Steuerung und Simulation genutzt. So kann der Digitale Zwilling einer Maschine recht einfach demonstrieren, wie Veränderungen in den Prozessen wirken.
Auch hier wird Edge-Computing aufgrund der großen Mengen an verarbeiteten Daten immer mehr zum Standard. Denn diese virtuellen Prozesse lassen sich mit Edge Computing einfacher umsetzen, vor allem bei Echtzeit-Anwendungen für Analyse und Steuerung. Hier zeigt sich wieder der allgemeine Trend: Edge Computing wird leistungsfähiger und vergrößert sein Aufgabenspektrum.
5. Edge Cloud und Smart Edge – alles für die Anwendungen
Laut einer aktuellen Studie wird sich Edge Computing zu einem exponentiell wachsenden Markt entwickeln. Dahinter steckt eine interessante Entwicklung mit großem Zukunftspotenzial für 2022: Zeitkritische Aufgaben der Cloud wandern in die Edge. So werden Teile von IoT-Stacks auf Edge-Devices portiert. Auch Hyperscaler erweitern ihre Cloud-Dienste um ergänzende Edge-Dienste – etwa in der Form vom Hyperscaler verwalteter Edge-Appliances, die vor Ort betrieben werden. „On the edge“ eben.
Auch Telekom-Unternehmen haben das Potential des Edge Computing entdeckt und bieten zunehmend Edge-basierte Mehrwertdienste an, die eine Vielzahl der Netzwerkangebote des Telekombetreibers nutzen – das nennt sich MEC (Multi-Access Edge Computing). Ein Beispiel für so einen Mehrwertdienst ist VSaaS (Video Surveillance as a Service) mit automatischer Erkennung von Eindringlingen in ein Einfamilienhaus. Die Idee ist alt, aber erst mit Edge Computing wird sie praktisch und kommerziell sinnvoll umsetzbar.
6. Das Ende des Gerätezoos: Edge Computing wird homogen
Viele Unternehmen nutzen zahlreiche Edge-Devices, die unterschiedlichen Technologie-Generationen entstammen. Das kommt daher, dass die frühen IoT-Anbieter neben Eigenentwicklungen auch angepasste Microcontroller wie Arduino-Boards oder Kleinstcomputer wie den Raspberry Pi nutzten. Sie sind praktisch für Basisanwendungen, jedoch nicht ausreichend leistungsfähig für moderne Edge-Services mit Data Analytics und Machine Learning.
Die Vielfalt der IoT-Sensoren und anderer Edge-Devices wird zwar nicht verschwinden, aber es zeichnet sich ein Trend hin zu standardisierten, handelsüblichen Edge-Servern ab. Im Telekom-Jargon bezeichnet man sowas als uCPE (Universal Customer Premises Equipment), also universelle Systeme vor Ort am Kundenstandort.
7. Sicherheit: Zentrale Authentifizierung und Geräte-Identitäten
Die einzelnen, über die Edge vernetzten Maschinen inklusive Edge-Devices müssen in der gesamten IT zweifelsfrei identifiziert und mit Zugriffsrechten auf zentrale Ressourcen versehen werden. Damit treten Aufgabenstellungen der IT-Sicherheit wie IAM (Identity & Access Management) oder die Vergabe sogenannter Zertifikate zur Identifizierung in den Vordergrund.
Klassische Annahmen wie „im LAN innerhalb der Firma ist alles sicher, außerhalb herrscht Gefahr“ sind nicht mehr anwendbar, denn die Grenze zwischen drinnen und draußen verschwimmt durch das Edge Computing. Neue Ansätze sind nötig, etwa das „Zero Trust“-Paradigma. Es folgt dem Prinzip, dass alle internen und externen Teile einer IT- oder Cloud/Edge-Anwendung gleichermaßen abzusichern sind.
8. Dekarbonisierung endet nicht vor der Edge
Die bisher beschriebenen Trends haben einen Nachteil, der bald nicht mehr toleriert wird: Sie treiben den Energieverbrauch in die Höhe und wirken sich auf den CO2-Fußabdruck eines Unternehmens aus. Abhilfe versprechen stromsparende Technologien und die bessere Verwendung von Energie – etwa durch die Nutzung der Abwärme. Vor allem leistungsfähige Edge-Rechenzentren benötigen ein Energiemanagement, das von Beginn an mitgedacht werden muss. Hier sehen wir einen Trend, der die kommenden Jahrzehnte prägen wird: In Zukunft wird es darum gehen, die Energieeffizienz zu steigern und gleichzeitig durch innovative Technologien weitere Nachhaltigkeits-Maßnahmen zu verwirklichen.
Edge Computing macht die Cloud besser
In Zukunft wird sich Edge Computing überall dort durchsetzen, wo die Cloud allein ihre Vorzüge nicht vollständig ausspielen kann: Bei Echtzeit-Anwendungen, Big Data und Künstlicher Intelligenz. Unternehmen sollten sich daher zeitig darauf vorbereiten und ihre Edge-Infrastruktur mit Standard-Hardware und -Software anpassen. Langfristig wird die intensive Zusammenarbeit von Edge und Cloud zum neuen Normalzustand der industriellen IT: Beide Technologien tragen mit ihren Stärken zum Erfolg bei. (sg)
Über den Autor: Carsten Mieth ist Senior Vice President, Head of Telecommunications, Media & Technology bei Atos. In dieser Position leitet das Telekommunikations-, Medien- und Technologiegeschäft von Atos in Zentraleuropa. Er hat mehr als 20 Jahre Erfahrung im ITC-Bereich und war vor seiner Karriere bei Atos in verschiedenen IT-Unternehmen wie TechMahindra, Wipro Technologies und T-Systems in leitenden Funktionen für Kunden tätig.
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