16.10.2018 – Kategorie: IT

PLM: Wie Diebold Nixdorf seine Systeme und Ingenieure verbindet

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Fusionen führen oft zu heterogenen IT-Landschaften, deren Harmonisierung Zeit braucht. Diebold Nixdorf macht da keine Ausnahme. Damit Verkauf, Service und Entwicklung Synergien schneller nutzen können, synchronisiert der Hersteller von Banking- und Retail-Lösungen seine PLM-Systeme mittels einer Kollaborations-Plattform. › von Michael Wendenburg

Fusionen führen oft zu heterogenen IT-Landschaften, deren Harmonisierung Zeit braucht. Diebold Nixdorf macht da keine Ausnahme. Damit Verkauf, Service und Entwicklung Synergien schneller nutzen können, synchronisiert der Hersteller von Banking- und Retail-Lösungen seine PLM-Systeme mittels einer Kollaborations-Plattform. › von Michael Wendenburg

An einem Geldautomaten von Diebold oder Wincor Nixdorf hat wohl jeder schon einmal Geld abgehoben oder eingezahlt. Hingegen wissen nur Eingeweihte, dass Diebold Nixdorf komplette Bankfilialen einschließlich der dazu gehörigen IT-Infrastruktur ausrüstet und im Bereich Professional Services Software-Lösungen für die Abwicklung und das Monitoring des Zahlungsverkehrs entwickelt.

Um Kunden bei Digitalisierung und Vernetzung global aufgestellter Innovationspartner zu unterstützen, haben das US-Unternehmen Diebold und die deutsche Wincor Nixdorf vor zwei Jahren ihre Kräfte gebündelt. Durch den Wandel verzahnen sich die Prozesse in Banken und Handelsunternehmen immer stärker und lassen den physischen und digitalen Zahlungsverkehr verschmelzen. Entstanden ist der weltgrößte Hersteller von Connected-Commerce-Anwendungen für Bankwesen und Einzelhandel. Fast alle globalen Top 100-­Finanzinstitute und die meisten der weltweit 25 größten Handelsunternehmen zählen zu den Kunden des Unternehmens, das weltweit über 24.000 Mitarbeiter beschäftigt und in mehr als 130 Ländern vertreten ist.

Auch Retail-Systeme im Programm

Neben den Bankautomaten und kompletter Filial-Infrastruktur für Banken hat Wincor Nixdorf zudem die Retail-Systeme hat in die „Ehe“ eingebracht. Dazu gehören nicht nur Kassensysteme, sondern auch Self-Checkout-Lösungen, wie man sie in großen Supermärkten oder bei Ikea findet, Fahrkartenautomaten, Leergutrücknahmesysteme und interaktive Kiosk-Lösungen, an denen man beispielsweise bei weltweit agierenden Fastfood-Ketten ein Menü bestellen kann.

Das Beste aus zwei Welten

Synergien zu schaffen und die globale Präsenz zu verstärken, sind laut Ralph Volbert, Senior Director CF IT ItM (Ideas to Market) bei Diebold Nixdorf in Paderborn, die wesentlichen Motive für den Zusammenschluss der beiden Unternehmen. Das neue Unternehmen vertreibt die Produkte und Lösungen der beiden Unternehmensteile inzwischen weltweit und übernimmt auch die Wartung. Soweit es Überschneidungen in den Portfolios gibt, werden sie nach dem Best-of-Both-Worlds-Prinzip konsolidiert: Das jeweils bessere Produkt oder Funktionsmodul wird weiterentwickelt.

Neue Produktgenerationen entwickelt das Unternehmen in globalen Teams, die sich über sieben Entwicklungsstandorte mit unterschiedlichen Kompetenz-Schwerpunkten verteilen. Die größten befinden sich in North Canton, USA, und in Paderborn. Im Unternehmensbereich Systems, der für die Banking- und Retail-Lösungen verantwortlich ist, arbeiten knapp 700 Mitarbeiter in der Mechanik-, Elektrik/Elektronik- und Software-Entwicklung.

Prozesse einheitlich gestalten

Eine der großen Herausforderungen bei der Zusammenführung der beiden Unternehmensteile ist die Vereinheitlichung der heterogenen IT-Landschaften und Prozesse. Die Konstrukteure der ehemaligen Diebold-Standorte entwickeln ihre Produkte bisher mit der CAD-Software Creo und verwalten ihre Modelldaten mit PTC Windchill, wie Dr. Matthias Paul, Principal Consultant PLM bei Diebold Nixdorf in Paderborn, erklärt. Artikelstammdaten und Konstruktionsstücklisten werden hingegen mit einer älteren Version des PLM-Systems Matrix gepflegt und für die Aufbereitung der Fertigungsstücklisten dann an die ERP-Systeme der jeweiligen Standorte übergeben.

Ähnlich komplex ist die Situation an den ehemaligen Wincor-Nixdorf-Standorten, wo für die Mechanik-Entwicklung Siemens NX, die CAD-Datenverwaltung Teamcenter UA und die Stammdaten- und Stücklistenverwaltung Teamcenter Enterprise eingesetzt wird – allerdings mit dem Unterschied, dass im PLM-System auch die Fertigungsstücklisten aufbereitet werden.

Homogener als die PLM-Landschaft ist die ALM-Umgebung (Application Life­cycle Management). Wincor Nixdorf hat kurz vor dem Merger die Atlassian Toolsuite mit Jira für die Verwaltung der Software-Versionen eingeführt.

Die Akzeptanz bei den Software-Entwicklern ist so groß, dass sie inzwischen weltweit eingesetzt wird – sowohl in der Entwicklung der systemnahen Software, als auch im Professional Services-Bereich, wo die kundenspezifischen Anwendungen programmiert werden.

Eine Integration zu den PLM-Systemen gibt es noch nicht, obwohl die kompilierten Binary-Dateien des freigegebenen Source Codes schon als Materialien im PLM verwaltet werden.

Automatisierter Datenaustausch

Mit der Kollaborationsplattform von Contact Software adressiert Diebold Nixdorf die aktuellen Anforderungen der Anwender im Vertrieb und Service. Sie verkaufen die Produkte und Lösungen der jeweils anderen Seite mit und übernehmen auch deren Wartung, konnten aber in der Vergangenheit nicht direkt auf die dafür erforderlichen Produktdaten, Materialnummern, Ersatzteile und so weiter zugreifen. Stattdessen musste die IT manuell aufbereitete Excel-Listen hin- und herschicken und in die jeweiligen PLM-Systeme einpflegen, was nicht nur zeitaufwendig, sondern auch fehlerträchtig war.

„Unsere Ziel war es, Teamcenter Enterprise und Matrix zu koppeln und den Datenaustausch weitgehend zu automatisieren“, erläutert Dr. Matthias Paul. Jetzt ist es möglich, die Materialnummern mit einem bestimmten Set von Attributen der jeweils anderen Seite bekannt zu machen, und Diebold Nixdorf denkt schon einen Schritt weiter.

In dem Maße, in dem Matrix zurückgefahren wird, sollen die Oracle ERP-Systeme der ehemaligen Diebold-Werke an die Plattform angebunden werden, um die Fertigungsstücklisten aus Teamcenter Enterprise direkt zu übergeben.

Intelligente Middleware

Eine Kollaborationsplattform von Contact Software ist hier die Middleware, die die unterschiedlichen PLM-Systeme verbindet. Allerdings intelligent, wie Ralph Volbert von Diebold Nixdorf betont. „Der Datenaustausch wird über Workflows gesteuert, in denen die Business-Logik der Prozesse hinterlegt ist, und die auch die Möglichkeit bieten, Mitarbeitern bestimmte Arbeitsaufgaben zuzuweisen.“

Im Unterschied zu einer reinen Integrationslösung bietet der Collaboration Hub von Contact auch PLM-Funktionen, sodass Anwender – eine entsprechende Berechtigung vorausgesetzt – die Daten auf der Plattform verändern können. Bei der Anbindung der Legacy-Systeme von Diebold Nixdorf arbeitete der PLM-Hersteller eng mit der Prostep AG zusammen. Diese hat ihren Konnektor zu Teamcenter Enterprise und den Batchprozess für den Im- und Export der Daten in/aus Matrix beigesteuert. Der automatisierte Datenabgleich reduziert den Zeitaufwand für die Bereitstellung der PLM-Informationen erheblich und verbessert zugleich die Datenqualität. Größter Vorteil der Lösung ist, dass die Fachbereiche die Verteilung direkt aus ihrer gewohnten PLM-Umgebung veranlassen und schnell auf die Anforderungen der anderen Standorte reagieren können. Die IT-Mannschaft muss nur noch bei der Migration größerer Datenbestände eingreifen.

Neue PLM-Architektur

Grundsätzlich bietet die Plattform die Möglichkeit, auch Entwicklungspartner mit wenig Aufwand anzubinden und ihnen PLM-Informationen in einer geschützten Umgebung zur Verfügung zu stellen. Derzeit nutzen beide Unternehmensteile noch unterschiedliche, zum Teil selbst entwickelte Lösungen für die externe Datenkommunikation. Angedacht ist, sie durch die Kollaborationsplattform zu ersetzen. Das setzt allerdings voraus, dass über die angebundenen PLM-Systeme auch CAD-Daten auf die Plattform hochgeladen werden.

Welche Rolle die Kollaborationsplattform zukünftig spielen wird, hängt von der Neugestaltung der PLM-Architektur ab, so Ralph Volbert. Schon vor der Fusion haben Diebold wie auch Wincor Nixdorf Initiativen zur Modernisierung ihrer PLM-Umgebung gestartet, sie aber wieder gestoppt, um zunächst die gemeinsamen Anforderungen zu definieren. „Unser Ziel ist es, IT-Landschaften und Prozesse so schnell wie möglich zu vereinheitlichen. Aber das wird nicht von heute auf morgen gehen, da unsere Produkte zum Teil lange Lebenszyklen haben“, sagt Dr. Paul. „Bei Produktpflege- und Maintenance-Projekten müssen wir uns deshalb fragen, ob es Sinn macht, sie auf die neuen Systeme und Verfahren umzustellen und die CAD-Daten zu migrieren.“

Das Management hat sich im ersten Schritt für Siemens NX als gemeinsames CAD-System entschieden, die PLM-Entscheidung steht noch aus. Unabhängig davon, wie diese ausfallen wird, ist Diebold Nixdorf mit der Kollaborationsplattform von Contact in der Lage, die Koexistenz vor mehreren PLM-Systemen zu orchestrieren und eine flexible Migrationsstrategie zu fahren. jbi ‹

Autor: Michael Wendenburg ist Fachjournalist in Sevilla, Spanien.


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