27.03.2013 – Kategorie: Fertigung, IT

PLM in der Cloud

Aktuell befindet sich Cloud PLM noch in der frühen Phase der Marktausbreitung. Durch seine Vorteile ist mittel- bis langfristig davon auszugehen, dass Cloud PLM traditionelle PLM-Leistungen ergänzen oder teilweise verdrängen wird.
Vielen Unternehmen ist Cloud PLM noch nahezu unbekannt, insbesondere Fertigungsunternehmen tun sich schwer mit den neuen Konzepten. So herrscht zum Beispiel Unklarheit über die verschiedenen Lösungsmodelle oder die Anforderungen an Cloud-fähige PLM-Lösungen.
Zahlreiche Anbieter von PLM-Software haben bereits das wachsende Marktpotenzial erkannt. Um ihre Position zu stärken, stellen sie Cloud-fähige PLM-Lösungen und langfristige Cloud-Produktstrategien vor. Insbesondere global aufgestellte Unternehmen werden damit künftig in der Lage sein, Produktdaten über Teile, Baugruppen, diverse Komponenten oder andere Produktinformationen sicher aus der Cloud zu beziehen und diese mit anderen Daten anzureichern, um sie in ihre eigenen PLM-Prozesse zu integrieren.
Obwohl zahlreiche Unternehmen die Vorteile von Cloud-basierten Lösungen kennen, etwa die Konzentration auf das Kerngeschäft, schnelle Realisierbarkeit sowie Flexibilität und Skalierbarkeit, mangelt es bei den künftigen Anwendern an fundierten Kenntnissen. Das fehlende Vertrauen in existierende Konzepte für Datenschutz und -sicherheit hemmt derzeit den Markt. Weiter befürchten viele Unternehmen, in eine zu große Abhängigkeit von PLM-Anbietern zu geraten. 

Wichtige Herausforderungen im Bereich Cloud PLM.

Marktentwicklung
Laut Analysten liegen die Umsätze mit Cloud Computing auf hohem Niveau und werden in den nächsten Jahren Wachstumsraten über 30 Prozent vorweisen können [1]. Eine Gartner-Studie aus dem Jahr 2012 prognostizierte den aktuellen weltweiten Jahresumsatz mit SaaS auf 14,5 Milliarden US-Dollar.
Ein Viertel aller Unternehmen in Deutschland nutzt mittlerweile Cloud Computing. Hiervon machten fast 60 Prozent positive Erfahrungen im Bereich der Private Cloud [2]. Nach der Umfrage „Leaders in the Cloud: Surviving in a Tough Economy von Sand Hill Group, 2011“ sagen 91 Prozent der Verantwortlichen in den Unternehmen, dass die Cloud-Lösungen ihrem Unternehmen, verglichen mit eigeninstallierten On-Premise-Systemen, messbare Einsparungen gebracht haben. Bei 62 Prozent der Befragten lagen die Einsparungen sogar im zweistelligen Prozentbereich. Eine Techconsult-Studie kommt zu dem Schluss, dass sich auch Unternehmen der Fertigungsbranche 2011 vermehrt den SaaS-Lösungen zugewandt haben. 

Die Anforderungen
Cloud PLM stellt einen Umbruch dar, der die gesamte PLM-Landschaft nachhaltig verändern wird. Das betrifft sowohl Anbieter von Software als auch PLM-Berater und Systemintegratoren sowie IT-Dienstleister. Alle müssen sich mit Cloud PLM auseinandersetzen.
Besonders herausgefordert sind die Anbieter. Sie müssen eine grundsätzliche Neuorientierung von der bisherigen PLM-Software zu PLM SaaS vollziehen. So sollen sich Cloud-fähige PLM-Lösungen auch in andere, Cloud-basierte Lösungen integrieren lassen. PLM-Anbieter werden sich somit stärker in Richtung hochwertiger Cloud-basierter PLM-Komponenten entwickeln, und zwar mit einem stärkeren Fokus auf die Integration prozessrelevanter und branchenspezifischer Anwendungen im PLM-Umfeld wie CAx oder ERP. Hieraus resultieren folgende wesentlichen Anforderungen an eine Cloud-PLM-Lösung:
Verteilte Architektur: Verteile Datenhaltung, Datenbanken, Applikation Server auf Basis von serviceorientierten Architekturen ergänzen sich optimal mit Cloud PLM. Unternehmen, die bereits auf Service-Oriented Architecture (SOA) basierende PLM-Lösungen einsetzen, werden Cloud PLM leichter nutzen.
Virtualisierung: Der Anwender sieht die bereitgestellten Cloud-PLM-Dienste als virtuelle Ressourcen. Die physikalische Realisierung liegt beim Betreiber, der die Infrastruktur mittels Virtualisierung auf maximale Effizienz und Standardisierung optimiert.
Elastizität: Die vom Anwender benötigten PLM-Ressourcen werden bedarfsgerecht bereitgestellt. Cloud-Dienste wachsen mit steigenden Anforderungen und nicht mehr benötigte Leistungen werden wieder freigegeben.
Skalierbarkeit: Cloud-fähige PLM-Lösungen müssen schnell und unbegrenzt den Ressourcenverbrauch nach oben und unten skalieren, da die Performanz sehr stark mit der Skalierbarkeit zusammenhängt. Jedoch ist der Skalierbarkeit der Infrastruktur eines Cloud-PLM-Anbieter/-Betreibers durch eine feste Anzahl physischer Server Grenzen gesetzt. Die Server-Kapazität muss sich ad hoc erhöhen lassen, um Reserven zu schaffen.
Mandantenfähigkeit: Wenn sich Cloud-fähige PLM-Ressourcen (also Hardware und Software) von mehreren Anwendern gleichzeitig nutzen lassen, weil die Hard- und Software nicht einzelnen Kunden zugeordnet ist, dann verbessert dies die Auslastung der Cloud-Betreiber. Der Cloud-PLM-Betreiber kann dadurch Nutzen aus unterschiedlichen Lastverhalten ziehen und somit kostengünstige Angebote für Anwender ermöglichen.
Anpassungsfähigkeit: Die Anpassung von PLM-Diensten an konkrete Kundenanforderungen ist für viele Anbieter Cloud-fähiger PLM-Systeme ein Dilemma. Denn dadurch verringert sich die adressierbare Zielgruppe. Die Anpassung von Datenmodell und Workflow sollte jedoch ohne komplexe Programmierung möglich sein, um mandantenfähiges PLM-Hosting zu erleichtern.
Ausbau- und Update-Fähigkeit: Cloud-fähige PLM-Lösungen sollten wichtige Software Updates bei laufendem Betrieb ohne Beeinträchtigung der System-Anpassungen erlauben.
Föderation und Integration: Die Anwender erwarten eine ganzheitliche Unterstützung ihrer PLM-Prozesse. Essenziell ist, ob und wie sich Cloud-PLM-Dienste miteinander und in bestehende Anwendungen integrieren lassen. Die Integration vorhandener Anwendungen wie ERP- und CAx-Systeme sowie weiterer prozessrelevanter On-Premise- oder Cloud-Dienste sind in einem ganzheitlichen Cloud-PLM-Einsatz unbedingt zu unterstützen.
Sichere Datenhaltung und -transfer: Neben der Sicherheit der Datenhaltung ist auch der sichere Datentransfer via Internet über HTTP/HTTPS mit gesicherten Ports und Verschlüsselungstechniken sowie Firewalls zu garantieren [3].
Abrechnungsmodelle: In der Regel werden Cloud-Dienste in Abhängigkeit von der Nutzung abgerechnet. Dabei sind die Abrechnungsmodelle für den Erwerb von Cloud-PLM-Diensten entscheidend. Flexibel und einfach sollte der Einstieg in Cloud PLM gestaltet sein, so dass Unternehmen in der Lage sind, ganz klein zu starten und die PLM-Lösung schrittweise zu erweitern, wenn der Bedarf steigt. Der Anwender einer Cloud-PLM-Lösung sollte die benötigten Ressourcen über ein Self-Service-Portal selbst buchen können.

Anforderungen an PLM-Lösungen und -Anbieter.

Alternative Betriebsmodelle
PLM in der Cloud lässt sich als bedarfsgerechte und flexible Nutzung von PLM-Leistungen definieren. In Echtzeit als Service über das Internet bereitgestellt, sind die Services in drei Ebenen einteilbar: Infrastructure as a Service (IaaS), Platform as a Service (PaaS) und Software as a Service (SaaS). Diese mittlerweile auch im Bereich der PLM-Leistungen etablierte Einteilung unterscheidet die Organisationsformen Public, Private und Hybrid Cloud. Das ist eine Mischform von Private und Public Cloud sowie traditioneller PLM-Software.
Wie andere Cloud-basierte Lösungen lässt auch Cloud PLM verschiedene Betriebsmodelle zu. Beispielsweise ist eine private PLM Cloud im eigenen Unternehmen durch eigene Mitarbeiter betreibar. Der Betrieb kann aber auch in Form einer Managed Private Cloud durch einen externen PLM-Dienstleister erfolgen. Die Server bleiben im eigenen Haus. In diesem Fall trägt der Dienstleister auf Basis von Service Level Agreements die Verantwortung für den Betrieb.
Bei der Variante der Outsourced Private Cloud wird die Infrastruktur von einem externen PLM-Dienstleister übernommen und betrieben. Die physische Infrastruktur befindet sich beim PLM-Dienstleister.
Die konsequenteste Cloud-Variante ist die Public Cloud. Weder Infrastruktur noch PLM-Software ist Eigentum des Kunden. Ort und Form der Datenhaltung bleibt ihm verborgen. Die PLM-Prozesse sind standardisiert und industrialisiert. Sie können nicht ohne Weiteres an spezielle Kundenbedürfnisse angepasst werden. Eine Cloud-PLM-Umgebung wird – in der Regel – mit vielen anderen Unternehmen geteilt. 

Erfolgsfaktoren für PLM in der Cloud
PLM in der Cloud bietet Fertigungsunternehmen neue Perspektiven für eine Weiterentwicklung ihrer PLM-Umgebung. Wegen der hohen Dynamik auf dem Cloud-PLM-Markt ist es jedoch wichtig, die Entwicklung näher zu beobachten. Nur so können Unternehmen die Lösungen einzelner PLM-Anbieter kennenlernen und auf einen Einsatz im eigenen Unternehmen kritisch prüfen. Die zahlreichen Cloud-PLM-Angebote haben unterschiedliche technische und funktionale Ausrichtungen.
Erst Strategie, dann Konzept und zum Schluss die Lösung. Bevor sich die meisten Unternehmen mit der Strategie und Konzeption von Cloud PLM auseinandersetzen, beschäftigen sie sich mit der Auswahl einer konkreten Cloud-PLM-Lösung. Es ist jedoch wichtig, dass Unternehmen im Rahmen einer unternehmensspezifischen Cloud-Strategie ein Cloud-PLM-Konzept entwickeln, bevor eine Produktauswahl stattfindet.
PLM-Know-how: Unternehmen haben oft unzureichende organisatorische Unterstützung zur Einführung von Cloud-PLM-Lösungen. Zudem verfügen sie in diesem Bereich über wenig Erfahrung zu Methoden, Werkzeugen und Standards. Zur Unterstützung der Tätigkeiten bei einer Cloud-PLM-Einführung reichen Informationen über Cloud-fähige PLM-Lösungen nicht aus. Hier sollte im Unternehmen Know-how über die unterstützenden Methoden, Werkzeuge und Vorgehensweisen aufgebaut werden. Bei Bedarf sollten PLM-Berater hinzugezogen werden.
Bestehende Prozesse analysieren: Um bestehende Prozesse auf ihre Cloud-Fähigkeit zu prüfen, ist zunächst eine Bestandsaufnahme der PLM-Prozesse und IT-Lösungen vorzunehmen sowie eine Bewertung von Kosten, Nutzen und Risiken mit Blick auf Cloud PLM. Auf der Grundlage dieser Analyse lässt sich ein Cloud-PLM-Konzept definieren und Projektziele formulieren.
Vorgehen klären: Für die Einführung von PLM-Lösungen existieren mehrere Vorgehensmodelle. Diese definieren einzelne Phasen (beispielsweise Analyse, Systemwahl, Einführung und Betrieb). Beispiele für Vorgehensmodelle sind die VDI-Richtlinie 2219, die eine nutzenorientierte Einführung und ein evolutionäres Modell beschreibt. Die Eignung solcher Vorgehensmodelle ist unternehmensspezifisch zu klären. Generell empfiehlt sich ein schrittweises Herangehen sowie eine ausführliche Prüfung aller relevanten PLM-Aspekte. Nach jedem wichtigen Schritt sollte die Lösung kontinuierlich und stufenweise ausgebaut werden. 

Pilotprojekte starten
Cloud-Pilotprojekte mit standardisierten PLM-Prozessen lassen sich schnell und ohne große Hindernisse umsetzen, wenn jedem Anwender eigene abgegrenzte Ressourcen zugesprochen werden, beispielsweise für Bereiche wie Produkt-, Programm- und Projektmanagement, Änderungs-, Qualitäts- und Lieferantenmanagement. Die Erfahrungen aus solchen Pilotprojekten dienen als Grundlage für weitere Projekte.
Wie bei anderen IT-Projekten entscheidet die Mitarbeiterakzeptanz über den Erfolg einer Cloud-PLM-Initiative. Daher sollten von Beginn an akzeptanzfördernde Maßnahmen die Einführung und -Nutzung flankieren, um die Mitarbeiter für das Projekt zu motivieren. 

Literatur:
[1] Cloud Computing – Evolution in der Technik, Revolution im Business, BITKOM-Leitfaden, Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. Oktober 2009.
[2] Cloud-Monitor 2012 Cloud-Computing in Deutschland – Status quo und Perspektiven, Online Quelle, www.kpmg.de.
[3] Eckpunktepapier – Sicherheitsempfehlungen für Cloud-Computing-Anbieter, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik – BSI, Februar 2012.

Autor: Dr.-Ing. Seref Erkayhan


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