10.04.2023 – Kategorie: Digitale Transformation
Lieferkette: 5 Maßnahmen, um Risiken rechtzeitig zu erkennen
Eine möglichst effiziente Lieferkette ist kein Garant für den Erfolg von morgen, vielmehr wird es in Zukunft darum gehen, auf Veränderungen möglichst agil reagieren zu können. Dies ist jedoch ein neuer Zugang für viele Unternehmen, die bisher auf langjährige, etablierte Beziehungen zu Ihren Zulieferern zurückschauen.
Zu den größten Herausforderungen, die Unternehmen derzeit hinsichtlich ihrer Lieferkette haben gehören Lieferausfälle (81 Prozent), die Corona-Pandemie (72 Prozent) und die hohen Treibstoff- und Energiepreise (71 Prozent), zeigt eine Studie von ECC Köln und Creditreform. Weiterhin dürften laut dem ifo Knappheitsindikator drei von vier Industrieunternehmen von Produktionsbehinderungen durch knappe Rohstoffe und Vormaterialien betroffen sein.
Wenn Störungen entlang der Lieferkette auftreten, sind Einzelhändler und Produzenten zur Reaktion gezwungen – diese sind jedoch meist ungeplant und daher auch meist sehr teuer. Unternehmen können sich jedoch besser auf diese Situationen vorbereiten, so dass sie im Ernstfall schneller und effizienter reagieren können. Im Folgenden zeigt Gastautorin Sophie Kieselbach von Makersite fünf wichtige Schritte auf, wie Unternehmen Risiken in der Lieferkette 2023 erkennen und bewältigen können.
1. Informationen zentralisieren und vereinheitlichen
Für die Identifizierung und Bewertung von Risiken ist Transparenz in der Lieferkette unerlässlich. Der erste Schritt hierfür ist die Zentralisierung und Vereinheitlichung von Informationen. Dies stellt sicher, dass alle Inhalte – von Produktdaten bis hin zur Dokumentation – an einem leicht zugänglichen und sicheren Ort und in der gleichen Qualität gespeichert sind. Zur Steigerung der Qualität und einer Vereinheitlichung von Daten müssen Systeme oft vereinheitlicht und zusammengefasst werden. Obwohl dies einen nicht zu vernachlässigenden Arbeitsaufwand bedeutet, führt es jedoch immer zu einer höheren Effizienz interner Vorgänge und damit auch zu einem geringeren Verwaltungsaufwand.
Zusätzlich zur Vereinheitlichung ist auch Zentralisierung (in Systemen) wichtig. Hier wird oft argumentiert, dass dies durch Remote Work schwieriger gemacht wird. So waren m Jahr 2021 24,8 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland zumindest gelegentlich im Homeoffice tätig. Mithilfe entsprechender Lösungen wie Kollaboration-Tools können jedoch alle Informationen an einem Ort gesammelt und mit dem Team geteilt werden.
2. Lieferantendaten für Lieferkette integrieren
Heutzutage sind Lieferketten komplexer als je zuvor – sie bestehen aus einer Vielzahl an Ebenen, die sowohl horizontal als auch vertikal miteinander verbunden sind. Oft wird die Struktur der Lieferanten bis hin zum Produzenten des Endproduktes auch als Zulieferpyramide bezeichnet. An der Spitze steht das lokale Unternehmen, das von der ersten Ebene – den Systemlieferanten – Produkte beschafft. Der Systemlieferant beschafft seine Produkte wiederum von Modullieferanten. Diese Pyramide setzt sich fort mit den sogenannten Komponenten- und Teilelieferanten. Viele Unternehmen verfügen über ein System zur Verwaltung der ersten Ebene ihrer Lieferkette, nicht jedoch für die weiteren Ebenen, was aufgrund des fehlenden Einblickes zum Risiko werden kann.
Traditionell wurden Informationen bisher manuell gesammelt, das heißt mittels direkter Kontaktaufnahme mit den Lieferanten. Dies war (und ist) sowohl ineffizient als auch unzuverlässig, da dieser Prozess fehleranfällig ist und Ungenauigkeit mit sich bringt. Es ist daher anzuraten, dass Unternehmen KI und Knowledge-Graph-Technologie einsetzen, um Lücken zu füllen und Prozesse zur Beschaffung von Informationen zu modernisieren.
Damit können sie Komponenten und Materialinformationen mit globalen Lieferanten abgleichen, während sie Einblicke in tiefgreifende Zuliefererketten gewinnen. Weiterhin wird es dadurch auch möglich, Risiken früh zu erkennen und durch geeignete Maßnahmen abzumildern. Maßnahmen können unter anderem sein, alternative Lieferanten zu identifizieren oder gemeinsam mit seinen Zulieferern die Lieferkette zu optimieren.
3. Agile Lieferkette durch Teamwork
Wie in allen Bereichen des Lebens sind auch agile Lieferketten Teamwork – und zwar über mehrere Abteilungen hinweg. Hierzu ist es jedoch notwendig, dass alle Beteiligten – unabhängig von Rolle und Abteilung – reibungslos zusammenarbeiten. Dies ermöglicht unter anderem:
- Szenarioanalysen in Echtzeit: Aktuelle Prozesse und Alternativen lassen sich schnell bewerten und vergleichen.
- Multikriterielle Entscheidungsanalysen: Risiken können identifiziert und potenzielle Änderungen anhand verschiedener Kriterien verglichen werden.
- Sofortige Folgenabschätzung: Die Identifizierung eines Risikos führt in der Regel zu einer Veränderung. Teammitglieder können einschätzen, wie sich Änderungen in der Lieferkette auf alle Aspekte der Produktleistung auswirken, von der Einhaltung von Vorschriften bis hin zu den Kosten, der Nachhaltigkeit und mehr.
4. Lieferkette: Vorausschauend agieren
Wenn man alle Vorbereitungen getroffen hat und den Status quo gut im Blick hat, ist der nächste wichtige Schritt, Szenarien anhand mehrerer Kriterien abzubilden und durchzurechnen, um Folgen abmildern zu können. Unternehmen benötigen dabei Antworten auf Fragen wie „Wie wird sich die Lieferkette ändern, wenn sich für einen oder mehrere neue Lieferanten entschieden wird?“, „Welche Risiken sind mit dem Wechsel verbunden (zum Beispiel rechtliche oder Compliance-Risiken)?“ und „Besteht bei bestimmten Materialien derzeit die Gefahr von Engpässen? Könnte sich dies in Zukunft zum Schlechten wenden?“.
Im März 2022 gab es in Deutschland einen durch den Ukraine-Krieg bedingten Versorgungsengpass bei Speiseöl – ein Engpass beziehungsweise ein Szenario, auf das keiner richtig vorbereitet war. Es ist zwar unmöglich, die Komplikationen und Verluste, die mit einem Krieg oder einem ähnlichen Ereignis verbunden sind, ganz zu beseitigen. Aber es wäre möglich gewesen, die Versorgungsknappheit zu reduzieren, indem bereits früher auf Hamsterkäufe reagiert worden wäre.
5. Auch „unmögliche“ Szenarien im Blick behalten
Die Covid-19-Pandemie war ein Weckruf – und zwar für alle: Privatpersonen, Politik und Unternehmen. Innerhalb weniger Monate nach Bekanntwerden der Pandemie waren große Teile der Welt abgeschottet. Aber auch „seltene“ Wetterereignisse wie heftige Winterstürme, riesige Waldbrände und Hurrikane, globale Unruhen wie der Ukraine-Krieg oder Schiffsunfälle haben verheerende Folgen. All das sind – wenn auch bisher seltene – Störfaktoren in der Lieferkette, die sich nicht kontrollieren lassen. Was Unternehmen jedoch tun können, ist, die potenziellen Auswirkungen auf ihre Lieferkette zu verstehen und einen Notfallplan für deren Bewältigung zu erstellen. Die Ereignisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass auch bisher als unwahrscheinlich erachtete Ereignisse eintreten können. Es ist daher angeraten auch dafür eine Risikoabschätzung zu erstellen.
Die genaue Identifizierung und Bewertung dieser Risiken in der Lieferkette sind entscheidend für das kurz- und langfristige Wohlergehen eines Unternehmens. Zu wissen, wie aktuelle Risiken erkannt und sich auf künftige Risiken vorbereiten werden kann, hilft dabei, eine transparente Lieferkette mit eingebauter Flexibilität aufrecht zu erhalten. Dies ist wichtig, um agil agieren zu können und resilient zu bleiben.
Über die Autorin: Sophie Kieselbach ist Senior Implementation Engineer Sustainability bei Makersite. Das Softwareunternehmen entwickelt Produktdatenmanagement-Tools für die Fertigungsindustrie entwickelt. Die Cloud-basierte Plattform kombiniert die Datenaggregation und Live-Anwendungen für ein agiles Produktlebenszyklus-Management. (sg)
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