15.01.2020 – Kategorie: Human Resources

IT-Fachkräftemangel – weshalb Unternehmen neue Ansätze benötigen

NIT-Abteilung IT-Sicherheit Softwaretest IT-DienstleisterQuelle: Dmytro Zinkevych/Shutterstock

Der IT-Fachkräftemangel und dessen Problematik für die Wirtschaft ist gewiss nicht neu – die Lage spitzt sich aber weiter zu. Laut einer aktuellen Bitkom-Studie hat sich das IT-Experten-Gap in Deutschland von 2018 auf 2019 um unerfreuliche 51 Prozent vergrößert. Gastautor Alexander Schlomberg von Expertlead berichtet über mögliche Auswege.

  • Wie lässt der Der IT-Fachkräftemangel stoppen, damit die deutsche Wirtschaft bei der Digitalisierung nicht noch weiter ausgebremst wird?
  • Ausgeschriebene Positionen in der IT sind häufig über ein halbes Jahr und länger unbesetzt.
  • Personalverantwortliche schlagen bei der Bewerbersuche zunehmend neue Wege ein.

Betrachtet man den Zeitraum 2017 bis 2019, hat sich die Anzahl der offenen Stellen für IT-Fachkräfte mehr als verdoppelt (von 55.000 auf 124.000 offene Stellen). Die vom Digitalverband Bitkom befragten Geschäftsführer und Personalverantwortlichen erwarten eine weitere Zuspitzung des IT-Fachkräftemangel im Laufe des Jahres 2020. Achim Berg, Präsident des Bitkom, erklärte, dass vakante Positionen in der IT im Vergleich zu anderen Berufen überdurchschnittlich lange unbesetzt bleiben (über ein halbes Jahr) und angesichts der kurzen Innovationszyklen in der IT viele geplante Projekte aufgrund mangelnder Kapazitäten entweder komplett versanden oder ins Ausland ausgelagert werden.

Außerdem kam die Studie zu dem Ergebnis, dass sich auf Bewerberseite unrealistisch überhöhte Gehaltsvorstellungen etabliert haben: 72 Prozent der Befragten klagten über zu hohe Gehaltsforderungen der Kandidaten. Ein weiterer Grund liegt in den oftmals unzureichenden fachlichen Qualifikationen der Bewerber.

IT-Fachkräftemangel: HR-Manager werden immer kreativer

Einige Personalverantwortliche erhalten schon seit geraumer Zeit überhaupt keine Bewerbungen mehr auf ihre IT-spezifischen Suchanzeigen in On- und Offline-Medien mehr – und gehen notgedrungen in die Offensive: In Business-Netzwerken, Foren und Online-Plattformen suchen die Personalreferenten den direkten Kontakt zu potentiellen Kandidaten und stehen vor der Herausforderung, sich von den zahlreichen Konkurrenten abheben zu müssen.

Sogar eine besondere Kreativität beim sogenannten Active Sourcing, wie die Wahl alternativer Kontaktpunkte (Hobby- oder Alumni-Webseiten) und attraktive Vermittlungsprämien, haben bisher noch nicht die dringend erwartete Wende bringen können. Dementsprechend schlägt der Branchenverband Bitkom Alarm – und sieht bereits außerhalb der IT-Branche die gesamte deutsche Wirtschaft in ihrer Weiterentwicklung gefährdet. Berg betrachtet die massive Förderung von Informatikstudiengängen an allen deutschen Hochschulen, Universitäten und Berufsakademien nur als langfristige Chance, sich aus dieser Klemme zu befreien.

IT-Fachkräftemangel: Forderung nach Informatik an der Schule

Wer sich heute an einer entsprechenden Fakultät einschreibt, gelangt erst nach mindestens sechs Semestern (Bachelor) beziehungsweise zehn Semestern (Master) auf den Arbeitsmarkt – und kann sich dann immer noch für ein attraktives Angebot im Ausland entscheiden. Nichtsdestotrotz sollte der Forderung von Bitkom und anderen Verbänden nach einem eigenen Informatik-Schulfach und der Fokussierung auf junge Menschen im Allgemeinen und Mädchen und junge Frauen im Speziellen endlich nachgekommen werden.

Weiterhin müssen aber auch Lösungen auf den Tisch, die nicht erst in drei bis fünf Jahren beginnen zu greifen, sondern innerhalb von sechs bis 12 Monaten – oder sogar noch kurzfristiger – eine deutliche Entlastung dieser paralysierenden Gesamtsituation herbeiführen. Folgende Maßnahmen und Perspektiven besitzen das Potential, hier schnell und unkompliziert Abhilfe schaffen zu können:

IT-Fachkräftemangel: Erweiterung des Suchhorizonts auf andere Länder

Unternehmen müssen angesichts des sich stetig verschärfenden „War for Talents“ in Deutschland ihren Blick heben und sich auf globaler Ebene nach englischsprachigen IT-Experten umsehen. Neben den klassischen Offshore-Märkten wie Indien und Pakistan sowie und osteuropäischen Ländern bringt sich gerade in anderen Schwellenländern beachtenswertes Potential in Stellung, um die Nachfrage nach hervorragend qualifizierten IT-Experten mit projekt- und verhandlungssicheren Englisch-Kenntnissen zu befriedigen.

IT-Fachkräftemangel: veraltete Paradigmen über Bord werfen

Klassische „9-to-5“-Jobbeschreibungen entsprechen weder den Erwartungen der nachrückenden Digital Natives, noch können sie bei agilen und explizit international ausgelegten Projekten die vielfältigen Herausforderungen der beteiligten IT-Experten und Projektverantwortlichen abdecken. Hier empfiehlt der Bitkom Flexibilisierungen des Arbeitsrechts, um den Spezialisten im Rahmen einer weiterhin gedeckelten monatlichen Höchstarbeitszeit zu ermöglichen, den Umfang ihrer wöchentlichen und täglichen Workload den Anforderungen des jeweiligen Projekts anzupassen. Weiterhin muss das sehr moderne und zeitgemäße Arbeitszeitmodell „New Work“ und die Möglichkeit umfassender Remote-Tätigkeiten in die Planung miteinbezogen werden.

Wenn die gesamte Wertschöpfung eines Projekt ohnehin komplett digital abläuft, werden Ort und Zeit der Arbeitsverrichtung vollkommen zweitrangig. Unternehmen, die sich modernen Arbeitsmodellen wie Remote Work gegenüber öffnen und bereit sind, mit Fachkräften aus der Ferne projektbasiert zusammenzuarbeiten, haben so die Chance, den Pool an verfügbaren Talenten schnell zu vergrößern.

Freelancer von Neuregelung des Arbeitnehmergesetzes ausnehmen

Die Novelle des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes war sinnvoll und überfällig – ging aber in der finalen Fassung an den Notwendigkeiten des Marktes vollkommen vorbei. Ursprünglich initiiert, um Arbeitern und Angestellten in typischen Niedriglohnjobs zu helfen, verhindern die momentan gültigen Bestimmungen sowohl die rechtlich unproblematische Buchung von externen IT-Spezialisten als auch deren eventuelle Festanstellung. Selbst wer sich in der IT-Branche nur rudimentär auskennt, würde vehement bestreiten, dass die dort anzutreffenden Jobprofile dem Niedriglohnsektor zugeordnet werden könnten – ganz im Gegenteil.

Digitale Transformation vorantreiben

Viele Menschen betrachten die digitale Transformation immer noch als „Work in Progress“ ohne absehbares Ziel. Dabei gilt hier gerade nicht das Motto „Der Weg ist das Ziel“. Sicherlich sollte man so früh wie möglich – und ohne destruktiven Perfektionismus – anfangen. Nichtsdestotrotz steht ein Ende dieses notwendigen Prozesses in Aussicht, der in sehr vielen Fällen die gesamte Wertschöpfung eines Unternehmens in den virtuellen Raum beinhaltet. Projektbezogenes Arbeiten in wechselnden Teams und Rollen wird über kurz oder lang starre Hierarchien und enge Verantwortlichkeiten ablösen.

IT-Fachkräftemangel: Einbindung von qualifizierten Freelancern

Um dem IT-Fachkräftemangel langfristig entgegenzuwirken, sollten die dazugehörigen Ausbildungsmöglichkeiten geschlechterübergreifend möglichst früh gefördert und beworben werden. Kurzfristig sollten sich die Unternehmen mit den oben aufgeführten Punkten beschäftigen und vor allem überholte Paradigmen vollständig ablegen. Ansonsten bleibt die digitale Transformation in Deutschland auf halbem Weg stecken. Hier finden Sie 7 Maßnahmen, wie Sie effizientes Recruiting betreiben, um IT-Fachkräfte ins Unternehmen zu holen.

Eine Lösung, dem IT-Fachkräftemangel entgegen zu treten, stellt die Einbindung von qualifizierten Freelancern in die bestehenden Strukturen dar. Insbesondere KMUs können davon massiv profitieren.  Auf Grund der aktuellen Lage und Gegebenheiten in Deutschland, können Unternehmen den Prozess der digitalen Transformation sehr effizient mit Hilfe von IT-Freelancern meistern. Diese Fachkräfte können projektbezogen für die Firmen tätig sein, ohne sich zentral binden zu müssen und bringen durch ihre vielseitigen Erfahrungswerte externes Know-how in die Unternehmen ein, welches für sie auf dem aktuellen Markt nur sehr schwer zu erhalten ist.

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Über den Autor: Alexander Schlomberg ist Managing Director Co-Founder bei Expertlead. Er hat einen Doppel-Abschluss in BWL und VWL von der Stockholm School of Economics. Nach der Uni hat er zunächst für drei Jahre als Unternehmensberater bei McKinsey gearbeitet, inbesondere an Projekten zur digitalen Transformation.


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