21.02.2017 – Kategorie: IT

Hannover Messe: Digital Twin der Produkte als Basis für Apps im IoT

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In wenigen Jahren hat sich die Digital Factory von einer kleinen Randveranstaltung im Umfeld der Fertigungsindustrie zu einem der zentralen Themen auf der Hannover Messe entwickelt. Die Digitalisierung hat nicht nur die IT-Unterstützung der Unternehmensprozesse zum Ziel, sondern die digitale Transformation der Industrie insgesamt. In diesem Jahr werden neben IT-Lösungen und der Prozessintegration die neuen Plattformen für Künstliche Intelligenz (KI) und das Maschinenlernen im Fokus der Aussteller stehen. 
Von Ulrich Sendler

In wenigen Jahren hat sich die Digital Factory von einer kleinen Randveranstaltung im Umfeld der Fertigungsindustrie zu einem der zentralen Themen auf der Hannover Messe entwickelt. Die Digitalisierung hat nicht nur die IT-Unterstützung der Unternehmensprozesse zum Ziel, sondern die digitale Transformation der Industrie insgesamt. In diesem Jahr werden neben  IT-Lösungen und der Prozessintegration die neuen Plattformen für Künstliche Intelligenz (KI) und das Maschinenlernen im Fokus der Aussteller stehen.  Von Ulrich Sendler

Vorbei sind die Zeiten, da die Verantwortlichen in der Industrie darauf bestanden, die Digitalisierung sei keine Revolution, sondern eine evolutionäre Entwicklung – zu offensichtlich sind inzwischen die Zeichen an jeder Ecke. Sensoren und Kameras zu geringen Kosten erlauben in Verbindung mit intelligenten IT-Lösungen in allen Branchen Innovationen, mit denen das Geschäftsmodell selbst revolutioniert wird. Dabei verschieben sich in der Digital Factory die Schwerpunkte, und vormals klare Trennungslinien verschwimmen.
Digital Engineering hieß ursprünglich vor allem, ein 3D-Modell eines mechanischen Produktes zu erzeugen, mit dem der Zusammenbau am Bildschirm getestet, mögliche Teilekollisionen ausgeschlossen und die Kinematik überprüft werden konnte. Das ist mittlerweile zum Standard geworden, genügt aber schon seit einiger Zeit nicht mehr. Mechatronik und vor allem die zunehmend geforderte Konnektivität verlangen, dass die Produktmodelle zu Systemmodellen werden.

Software wird immer wichtiger

Außer der Geometrie müssen die integrierten Sensoren und Aktoren Teile der Modelle sein. Und ebenso die Software, die darüber angestoßen wird oder das Funktionieren des Produktes sicherstellt. Dabei verschiebt sich der Fokus immer mehr von der Hardware zur Software. Immer größere Anteile der Produktfunktion müssen gar nicht mehr mechanisch ausgeführt werden, sondern lassen sich durch Software ersetzen. Dennoch ist das 3D-Modell von wachsender Bedeutung, denn ohne dieses kann die reale Funktion des fertigen Produktes nicht simuliert und virtuell getestet werden. Multidisziplinäre Systemmodelle in 3D sind noch weit entfernt davon, Standard zu sein. Aber dieses Thema wird immer mehr zu einem der Schwerpunkte bei der Digital Factory.

Auch das Management der Produkt­daten bekommt eine neue Bedeutung. Ging es bisher vor allem darum, dass alle Teile eines Produktmodells in ihrer aktuellen Version schnell gefunden und zugeordnet werden können, dass die Übergabe der Stückliste an eine Produktionslinie unabhängig vom Produktionsort reibungslos funktioniert, so ist das nur noch ein Teil des Ganzen. Denn die Daten aus der Entwicklung spielen eine gewichtige Rolle, wenn das vernetzte Produkt als Basis für smarte Dienste genutzt werden soll.

Schon die Entwicklung solcher Dienstleistungen muss sich auf aktuelle Daten stützen können. In ihnen stecken neben der Geometrie auch die Solldaten, aus denen sich ergibt, für was sich das Produkt eignet und wodurch es überfordert wird und dann seinen Dienst versagt. Zudem stecken darin die Anforderungen, die zur Entwicklung des Produkts geführt haben und dabei berücksichtigt wurden. Jeder kann sich für ein vernetztes Produkt, zum Beispiel einem Fahrstuhl, einen Service ausdenken und dafür Daten aus der Produktnutzung abgreifen und auswerten. Dafür genügt ein kleiner Rechner mit Sensoren, der am Fahrstuhl angebracht wird. Aber der Hersteller des Geräts weiß mehr, er kennt dessen Grenzen und Möglichkeiten besser und kann seinen Service darauf aufbauen.

Deshalb werden Lösungsansätze wie das Produkt-Lebenszyklus-Management (PLM) und das System-Lebenszyklus-­Management (SysLM) mit dem Aufkommen des Internets der Dinge noch wichtiger als bisher. Je vollständiger der digitale Zwilling des Produktes ist, desto schneller und kostengünstiger sind seine Entwicklung und Fertigung, und desto wertvoller die Daten für die Wertschöpfung in der digi­talen Industrie.

Verarbeitung der Daten zu wertvollen Informationen

Schließlich ist das Produkt vernetzt und in Betrieb. In Echtzeit fallen Massen von Daten an, die nach wichtig und unwichtig, nach normal und abweichend gefiltert werden müssen, am besten gleich an der Maschine oder am Gerät. Ziel dabei ist, die wichtigen Daten zu analysieren und zu wertvollen Informationen zu verarbeiten. Schnell und zuverlässig müssen Daten Befehle etwa für eine Steuerung eines Roboterarms auslösen. Mit der Sicherheit, dass die ausgelösten Aktionen nicht von einem Saboteur stammen oder von einem Industriespion abgegriffen werden. Da stoßen herkömmliche IT-Lösungen für Entwicklung und Produktion schnell an ihre Grenzen.

Künstliche Intelligenz hat sich nach Jahrzehnten kostspieliger Testphasen in den letzten Jahren von einer futuristischen Theorie zu einem zentralen Element der Digitalisierung entwickelt. In Verbindung mit einer ausgereiften Cloud-Technologie gibt es fast keine Aufgabe, die nicht gelöst werden kann. Der Sieg der Software AlphaGo von Deepmind über den 17-fachen Weltmeister des Brettspiels Go basierte in erster Linie auf Spielen gegen sich selbst einige Monate zuvor und ist daher ein gutes Beispiel für die Vorteile von Maschinenlernen.

Das alles spielt in der Digital Factory zusammen. Die Besucher können sich überlegen, in welchen Schritten sie mit welchen ihrer Produkte das eigene Geschäft digitalisieren wollen. Die passenden Werkzeuge und Methoden finden sind bei der Digital Factory. IBM Watson IoT, 2016 zum ersten Mal als Aussteller in Halle 7, wird, wie auch Microsoft mit seiner Azure-Plattform und SAP mit SAP HANA, auf großes Interesse der Besucher stoßen. Erst wenn durch die intelligente Analyse aus den ständig wachsenden Datenmengen, die inzwischen mit einer Vielzahl vernetzter Produkte erzeugt oder gesammelt werden, wertvolle Informationen entstehen, werden sie Bestandteil einer neuen Wertschöpfung. Genau daran arbeiten die Anbieter von KI-Plattformen.

Gleichzeitig steigt die Bedeutung der IT-Anbieter für die „alte“ Wertschöpfungskette mit ERP, CRM oder PLM. Es ist eben nicht gleichgültig, ob und wie durchgängig diese Prozesse digitalisiert sind. Je besser der Digital Twin sich für die Simulation eignet, desto schneller kann das Unternehmen den Schritt zur intelligenten Vernetzung gehen. Wer also erwartet, dass die Softwarelösungen für Produktentwicklung, Produktionsplanung oder für den Service künftig eine kleinere Rolle spielen, der täuscht sich gewaltig. Auch Anbieter von ERP-Lösungen, wie SAP oder PSI, sind in Halle 7 zu finden, ebenso wie MES-Anbieter, zum Beispiel MPDV oder Forcam. In diesem Jahr kommen weitere Aussteller wie Bosch dazu, die ihre IoT-Cloud-Plattformen präsentieren. In Zukunft werden neben dem Produktangebot Dienstleistungen von der und für die Industrie aus der Cloud eine immer wichtigere Rolle spielen.

CAD und PLM im Zusammenspiel

In der Halle 6 liegt der Schwerpunkt auf CAD und PLM. Hier sind neben den IT-Zulieferern der Industrie, wie Autodesk, Aucotec, Eplan, Siemens PLM Software und Dassault Systèmes, weitere Branchen zu finden, die Komponenten und Teilsysteme hierfür liefern. Dassault Systèmes beispielsweise erfährt in diesem Jahr Unterstützung durch den Kunden WestRock. Das auf Verpackungslösungen spezialisierte Unternehmen nutzt für die durchgängige Entwicklung und Simulation bis hin zur Fertigung die 3DExperience-Plattform Catia und Simulia, aber auch Branchenlösungen wie Perfect Package, Perfect Shelf, und Single Source for Speed.

Durchgängige Produktentwicklung

Bei Siemens gehören Systems Driven Product Development, die Integration von Produkt-Lebenszyklus Management (PLM) und Application Lifecycle Management (ALM) zu den Schwerpunkten. Dazu kommt eine neue durchgängige Lösung für die Entwicklung von Produkten, die vollständig auf Additive Manufacturing zugeschnitten ist. Dazu zählt neben der Topologie-Optimierung für den 3D-Druck auch Convergent Modeling. Auch bei Siemens wird die Simulation des digitalen Modells künftiger Produkte immer wichtiger, wofür der Hersteller die multidisziplinäre Lösung Simcenter anbietet.

Eplan hatte auf der letzten Digital Factory mit Syngineer eine neue Lösung für multidisziplinäre Systementwicklung angekündigt, die seit September 2016 bei Pilotkunden getestet wird und in diesem Jahr eine Hauptrolle spielen wird. Außerdem wird die neue Lösung Cogineer vorgestellt, die mit den Tools Designer und Project Builder eine weitgehend automatisierte Konfiguration von Schaltplänen ermöglichen soll.

Synergiepotenziale

In Halle 6 ist außerdem der Bereich Additive Manufacturing zu finden, mit Ausstellern wie Arburg und EOS. Durch die Nähe dieses Themas zum Leichtbau der Fachmesse Industrial Supply (ebenfalls in Halle 6) lassen sich Synergiepotenziale heben. Denn nur diejenigen Unternehmen, die ihre IT-Lösungen für die Produktentwicklung und Produktionsplanung optimal einsetzen,  können heute auch mit ihren Zulieferteilen überzeugen. 


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