24.09.2021 – Kategorie: Geschäftsstrategie

Geschäftsmodellentwicklung: Vom Produkt zum echten Wertangebot

Geschäftsmodellentwicklung: Vom Produkt zum echten WertangebotQuelle: Song_about_summer/shutterstock

Ob eine Leistung auf dem Markt erfolgreich ist, hängt auch von seiner Einpassung in ein effektives Geschäftsmodell ab. Das passende Geschäftsmodell kann aus einem Produkt einen Erfolg machen – und ein unpassendes auch ein aussichtsreiches Produkt zum Scheitern verurteilen.

In der Frage, wie die Kunden ein Produkt erleben, spielt nicht nur das Produkt selbst eine Rolle, sondern auch die Art und Weise, wie es angeboten wird. Gerade Traditionsbetriebe führen neue Produkte aber manchmal ein, ohne genau zu wissen, welche Kundenanforderungen man besser als bisher bedienen kann, und ob bestehende Geschäftsmodelle dafür auch optimal sind. Erst das passende Geschäftsmodell macht ein Produkt zu einem echten Wertangebot.

Als Beispiel ziehen wir einen Traditions-Holzgroßhändler heran. Dieser plante die Anschaffung einer zukunftsträchtigen Maschine: Eine Laseranlage, die mittels „Lasersublimation“ dreidimensionale Reliefs in mitteldichte Faserplatten (MDF-Platten) einbringen kann. Hochindividuell, von professionellen Oberflächendesigns bis hin zu plastisch wirkenden Bildern. Die fertigen Platten können etwa als Möbelfronten oder Wandverkleidungen eingesetzt werden.

Vertriebliche Fragestellungen helfen Geschäftsmodellen auf die Sprünge

Für die Einführung des neuen Ange­botes wurde ein Interim Manager beauftragt – durch den bisher sehr tra­ditionsorientierten Betrieb fehlte es an Know-how für komplexe Markteinführungen wie diese. So zeigte sich, dass es das neue Angebot im tradi­tionellen Geschäftsmodell schwer gehabt hätte. Traditionell verkaufte der Holzhändler etwa in einem Umkreis von ca. 100 km, es gab eine lokale Ausstellung. Ein 100%ig individualisierbares Produkt konnte dort schwer vorgezeigt werden. Gleichzeitig war der traditionelle Bereitstellungsprozess unpassend, weil das neue Angebot ungleich komplexer und ein größerer Absatzmarkt erforderlich war. Es brauchte also einen neuen Vertriebskanal.

Ausgehend vom zugrundeliegenden Wertversprechen mussten auch andere Elemente des vorhandenen Geschäftsmodelles abgewandelt werden (Kostenstruktur, Kundenbeziehungen, Schlüsselaktivitäten etc.). In der Frage, ob es reicht, ein Geschäftsmodell anzupassen, oder ob es eine neue Geschäftsmodellentwicklung braucht, sollten Kundenprobleme, Märkte und Trends vorab genau analysiert werden. Hier wurde klar: Aus Vertriebssicht wäre die neue Leistung im bisherigen Geschäftsmodell zu komplex und durch den hohen Individualisierungsgrad (Losgröße 1) auch zu kostspielig für die Kunden gewesen.

Diese Probleme wurden durch eine neue Geschäftsmodellentwicklung und digitale Möglichkeiten behoben. Die Komplexität des Angebots wurde durch einen Online-Produktkonfigurator samt eigener Web-Plattform adressiert, über die die Individualisierung geschieht. Die Plattform ist an das ERP-System angebunden und wandelt die Eingaben direkt in Steuerungsdaten für die Maschine um. Die Kunden kommunizieren also im Selfservice direkt mit der Laseranlage, die so sogar unbeaufsichtigt produzieren kann. Wenn es nötig ist, stehen Anwendungsexperten bereit. Durch den insgesamt hohen Automatisierungsgrad konnte man letztlich einen markttauglichen Preis anbieten. Der mögliche Kostenpunkt ergab sich aus Kundeninterviews, einer methodischen Analyse der Preisbereitschaft und einer Marktpotenzialanalyse.

Das Beispiel zeigt gut, wie die Hinzuziehung der vertrieblichen Sicht Problemherde umschiffen half. Ohne eine passende Geschäftsmodellentwicklung wäre das Produkt vielleicht kein wirtschaftlicher Erfolg geworden.

Das Risiko einer Geschäftsmodellentwicklung wird oft überschätzt

Viele Unternehmen scheuen davor zurück, neue Geschäftsmodelle an den Markt zu bringen – man schätzt das Risiko für eine teure Fehlentwicklung zu hoch ein. Gerade, wenn es ein gut funktionierendes Geschäftsmodell gibt, geht man dann dazu über, neue Leistungen in traditionellen Angebotslogiken anzubieten. Sie laufen dann möglicherweise niemals zu vollem Potenzial auf. Ein neues Geschäftsmodell kann man aber vorab umfassend prüfen. Jedes Geschäftsmodell beruht auf Hypothesen, z. B. über die Kunden, das Marktumfeld, die Absatzkanäle und vieles mehr. Diese Hypothesen kann man mit vertretbarem Aufwand testen. Bestätigt sich eine Hypothese nicht, wird das Geschäftsmodell so verändert, dass diese Hypothese wegfällt.

Am Ende ergibt sich ein logisches, in sich geschlossenes Geschäftsmodell, das auf bewiesenen Hypothesen aufbaut. Das kann in einem Testmarkt mit einem MVP (minimal viable product) noch weiter abgesichert werden. Gerade traditionelle Unternehmen sollten auch überdenken, wie digitale Möglichkeiten den Kundennutzen erhöhen oder Schwachstellen beseitigen können. Beim Holzhändler ergab sich etwa nur ein positiver Business Case, weil man eine hochautomatisierte Abwicklung gewährleisten konnte, da es sich um hochindividuelle Produkte handelte. Nicht das Produkt schuf den Erfolg, sondern das „Drumherum“.

Produktinnovationen konsequent weiterdenken

Vertriebliche Fragestellungen können für die Kreation neuer Geschäftsmodelle aufschlussreich sein. Häufig findet Innovation nur im Produktions- oder Entwicklungsprozess statt. Hätte man sich hier auf die Produktinnovation beschränkt, hätte man vielleicht Schwachstellen im Angebot übersehen. Die Laseranlage des Holzhändlers war aus Sicht des Geschäftsmodells eine neue Fähigkeit, auf der ein neues Wertangebot an bestehende und neue Kundensegmente mit verändertem Vertriebskanal ansetzen kann, nicht mehr und nicht weniger.

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Geschäftsmodellentwicklung, Siegfried Lettmann

Der Autor Siegfried Lettmann ist Executive Interim Manager, Innovator des Jahres 2020 und Studienleiter an der European Business School (EBS).


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