19.09.2013 – Kategorie: IT, Management

Energiepolitik als Standortfaktor

Der Data Centre Risk Index (DCRI) ist eine jährliche Bewertung von 30 ausgewählten Ländern als Standorte für Rechenzentren, herausgegeben von Source8, hurleypalmerflatt und Cushman & Wakefield. Das Ranking erfolgt anhand einer Anzahl von Risikofaktoren, die für Rechenzentren auf der Makro-Ebene Gefahren für Servicekontinuität und -Verfügbarkeit (Uptime) bedeuten. Der DCRI soll Unternehmen dabei unterstützen, strategische Investments zu tätigen und operative Entscheidungen zu treffen.

Der Ausfall eines Rechenzentrums kann durch Verdienstausfall und Strafzahlungen Millionen kosten, ganz zu schweigen von der Reputation des Rechenzentrumsbetreibers. Faktoren wie die geographische Lage können dabei eine große Rolle spielen, was 2012 am Beispiel der Hurrikan-Katastrophe in New York und New Jersey eindrucksvoll zu beobachten war: Große Teile der Ostküste der USA waren mehr als eine Woche ohne Strom, viele Rechenzentren blieben über lange Zeit komplett offline, da auch ihre unterstützende Infrastruktur in Mitleidenschaft gezogen wurde. Im DCRI werden daher Risiken an Rechenzentrumsstandorten auf der Makro-Ebene bewertet: physische, ökonomische und soziale Faktoren fließen in das Ranking ein.

Das meiste Gewicht liegt dabei auf den Kategorien „Energiekosten“, „internationale interne Bandbreite“ und der Möglichkeit von Geschäftstätigkeiten (so genannte „Ease of Doing Business“). Dazu kommen weitere zehn Faktoren, unter anderem die Höhe der Unternehmenssteuern, die Energieverfügbarkeit sowie Nachhaltigkeit, also der prozentuale Anteil an erneuerbaren Energien im Mix.

EMEA und Deutschland im Data Centre Risk Index

Landesweite Richtlinien und Regelungen in den Bereichen Energie und Infrastruktur – hier lässt der DCRI keine Zweifel aufkommen – werden immer wichtiger, da sie die Entscheidungen von Unternehmen, sich mit Rechenzentren in dem betreffenden Land niederzulassen und beträchtliche Mittel zu investieren, enorm beeinflussen. Der EMEA-Raum als Ganzes wird im DCRI 2013 weiterhin positiv bewertet. Die Eurokrise habe zwar ihre Spuren hinterlassen, insgesamt dominiere am Markt aber positiver Realismus. Gerade in den großen und etablierten Märkten für Rechenzentren wie UK, Frankreich und Deutschland erwartet man ein Wachsen von neuen und einen Ausbau bestehender Rechenzentren. In Europa solle demnach in Zukunft vor allem in die internationale Telekommunikationsinfrastruktur investiert werden, was durch die enorme Zunahme an Datenströmen auch dringend nötig sei – ausgelöst etwa durch 4G/LTE und die zunehmende Akzeptanz der Cloud, die mehr Speicherplatz und bessere Anbindung der Rechenzentren erfordere.

Deutschland wird im DCRI als globale Wirtschaftsnation gesehen, als großer und etablierter Hafen für Rechenzentren. Im aktuellen Index belegt die Bundesrepublik den vierten Platz hinter den USA, UK und Schweden. Im Vergleich zum Vorjahr verliert Deutschland eine Position und fällt aus den Top Drei, punktet aber noch immer mit politischer Stabilität und Sicherheit vor Naturkatastrophen. Der Grund für den Abstieg sind laut dem DCRI die hohen Energiekosten, die vor allem in den letzten zwölf Monaten enorm gestiegen sind.

Deutschland energietechnisch hinter Mexiko und Brasilien

Eine große Rolle in der Bewertung der Standorte spielen neben den Energiepreisen auch die Energiesicherheit und der Anteil an nachhaltiger Energie im Mix. In allen drei Punkten, das wird im Index deutlich, kann sich Deutschland noch deutlich verbessern. Was die Kosten betrifft, so sind die skandinavischen Länder den Deutschen Meilen voraus, ebenso wie fast alle Nachbarstaaten der Republik: die Schweiz, Frankreich, die Niederlande und Polen bieten alle günstigere Energie. Bei der Energiesicherheit wird Deutschland ebenfalls im Ranking überholt, etwa von Südafrika, Thailand oder Mexiko. Besonders beim Thema erneuerbare Ressourcen und Nachhaltigkeit bietet sich ein interessantes Bild; hier liegt Deutschland hinter Staaten wie China, Brasilien und Südkorea.

Energiekosten und -verfügbarkeit bleiben laut DCRI jedoch weiterhin ein wichtiger Schlüsselfaktor für Investoren. Die skandinavischen Märkte holen schon jetzt kräftig auf und punkten bei Investoren unter anderem mit Wasserkraft und hoher Versorgungssicherheit. Die Datenmenge wird sich weltweit weiterhin exponentiell vermehren, die Nachfrage nach Rechenzentren weiter steigen – da ist sich der DCRI sicher. Daher muss Deutschland, wenn es nicht als Standort weiter an Attraktivität verlieren will, klare Signale senden in Sachen Energieerzeugung und Infrastruktur.

Größter Internetknotenpunkt der Welt

Deutschland beherbergt mit Frankfurt den größten Internetknotenpunkt der Welt. Die Region Frankfurt-Rhein-Main – das kommt für viele überraschend – liegt als digitale Drehscheibe, als Digital Hub, auf Augenhöhe mit Metropolen wie Singapur, Amsterdam und London. Im Raum Frankfurt-Rhein-Main stehen über 400.000 Quadratmeter an Rechenzentrumsfläche zur Verfügung. In einigen Gewerbegebieten ist jedoch immer noch keine Breitbandversorgung mit mehr als 50 Mbps garantiert.

Dabei ist gerade die Geschwindigkeit des Informationsaustauschs für viele Investoren absolut entscheidend dafür, in welches Land sie ihre Geschäfte tragen. Digitale Infrastrukturen – dazu zählen ebenso Breitband-Glasfaserkabel wie Stromversorgungsnetze – bilden das Rückgrat der Wirtschaft in einer Metropole wie Frankfurt. Nicht nur Finanzdienstleister oder Biotech-Firmen benötigen unbedingt gut ausgebaute digitale Infrastrukturen. Ohne die richtige Energieversorgung, also die benötigte Menge zur rechten Zeit, können auch keine Rechenzentren mehr wachsen – selbst wenn der Bedarf immer weiter zunimmt.

Energiepreise und Ausfallsicherheit

Wie wir bei der Bewertung im Data Centre Risk Index deutlich gesehen haben, müssen auch die deutschen Energiepreise auf einem moderaten Level bleiben. Die steigende Ökostrom-Umlage stellt für Rechenzentren in Deutschland eine reale Gefahr dar. Wenn die Unterschiede in den Strompreisen etwa zu Nachbarländern wie Frankreich noch größer werden, verliert Deutschland und seine Internet-Hauptstadt Frankfurt die Stellung, die sie sich lange aufgebaut haben. Unternehmen wandern ab und bauen ihre Rechenzentren in Paris, Amsterdam oder Stockholm.

Diese Einschätzung ist keine lokale Panikmache, sondern das Urteil internationaler Analysten – die Energiekosten werden als Schlüsselfaktor für Investmententscheidungen im DCRI klar benannt. Im Rahmen der Energiewende sind weitere negative Folgen für digitale Infrastrukturen im Allgemeinen und Rechenzentren im Besonderen zu erwarten. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Versorgungssicherheit: Mit dem Systemwechsel von einer zentralen zur dezentralen Energieverteilung wird die Stabilität der Stromversorgung gefährdet. Der Digital Hub FrankfurtRheinMain e.V., der die Interessen der IT-Unternehmen wie Rechenzentrumsanbietern und anderen digitalen Dienstleistern im regionalen Raum bündelt, fordert daher: die maximale Ausfallzeit im Jahr darf 100 Sekunden nicht überschreiten. Anfang des Jahres hat der Verein eine Studie veröffentlicht, in der weltweit Metropolregionen verglichen werden, was die digitale Infrastruktur und die daraus entstehenden Wettbewerbsvorteile betrifft. Die Ergebnisse decken sich mit denen des „Data Centre Risk Index“: Energiekosten sind ein enorm wichtiger Standortfaktor, der in Deutschland vernachlässigt wird. Obwohl digitale Infrastrukturen mit mindestens 1 Prozentpunkt zum BIP-Wachstum beitragen, wird nicht genügend darin investiert. Auch wenn Deutschland sich beim Thema Energie viele Gedanken macht, muss die wirtschaftliche Versorgung gewährleistet bleiben. (ak)

Autor: Bernhard Pussel ist Vorstandsvorsitzender des Digital Hub FrankfurtRheinMain e.V.


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