25.11.2015 – Kategorie: Handel

E-Commerce in China: Absatzboom trotz Firewall

Das Marketing und der Vertrieb von Industriegütern finden in China viel stärker als in Deutschland über digitale Kanäle statt. Darin liegen neue Chancen für deutsche Unternehmen. Sie können über professionellen E-Commerce und M-Commerce (Mobile Commerce) nicht nur die Bekanntheit und Reputation ihrer B2B-Marke stärken, sondern auch den chinesischen Markt effektiv und effizient penetrieren. Das gilt für das chinesische Hinterland ebenso wie für die aufstrebenden ASEAN-Länder.

Das Marketing und der Vertrieb von Industriegütern finden in China viel stärker als in Deutschland über digitale Kanäle statt. Darin liegen neue Chancen für deutsche Unternehmen. Sie können über professionellen E-Commerce und M-Commerce (Mobile Commerce) nicht nur die Bekanntheit und Reputation ihrer B2B-Marke stärken, son-dern auch den chinesischen Markt effektiv und effizient penetrieren. Das gilt für das chinesische Hinterland ebenso wie für die aufstrebenden ASEAN-Länder.

Gebremstes Wachstum der chinesischen Wirtschaft? Nicht beim E-Commerce. Der Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen über das Internet verzeichnet im Reich der Mitte seit Jahren außergewöhnliche Wachstumsraten. So lag das Marktvolumen im chinesischen E-Commerce im Jahr 2014 bei 1,8 Billionen Euro, für 2017 wird ein Gesamtvolumen von drei Billionen Euro prognostiziert. Nahezu drei Viertel des Verkaufsvolumens im chinesischen Internet gehen auf das Konto des B2B, dominiert durch große Handelsplattformen wie Ali-baba, Taobao oder HC360. Daneben existieren aber auch viele kleinere branchenspezifische Portale wie beispielsweise QQMA (Maschinenbau, im Bild links), Liuti (Pumpen) oder China Clean Portal (Reinigungstechnik, im Bild rechts).

     QQMA (links)           China Clean (rechts)

 

Strategien und Konzepte des E-Commerce

Beim Einstieg in den chinesischen E-Commerce stehen Unternehmen drei Basisstrategien zur Verfügung. Die Einrichtung eines eigenen Shops auf den großen digitalen Handelsplatt-formen ist zwar einfach, kostet aber Provision. Bei Alibaba sind es 15% des Transaktionswertes. Dazu kommt eine Setup-Gebühr, die bei der Einrichtung des Shops fällig wird. Die Plattform stellt den Webspace und bietet über den hauseigenen Bezahldienst Alipay Hilfe bei der Zahlungsabwicklung. Da das Basislayout durch den Plattformbetreiber vorgegeben ist, hat das Unternehmen aber keine Möglichkeit, seine Marke aktiv zu führen.

Ähnlich beim Verkauf über einen Reseller. Hier vergibt man an ein etabliertes chinesisches Unternehmen eine Verkaufslizenz, das Produkt wird über dessen Webshop angeboten. Der Reseller ist mit einer Provision am Umsatz beteiligt. Auch bei dieser Variante sind der Auf-bau und die Führung der Marke in China kaum möglich.

Die Nachteile können aber reduziert oder vermieden werden, wenn sich deutsche Unternehmen mit komplementären Erzeugnissen zusammenschließen und gemeinsam einen branchenspezifischen Internetmarktplatz für Produkte „Made in Germany“ etablieren. Dieser Marktplatz kann durch Public Relations in branchenrelevanten chinesischen Printmedien relativ schnell bekannt gemacht werden. Das oben bereits erwähnte Portal HC360 ist ein chinesisches Beispiel für eine solche branchenübergreifende Onlineplattform, die viele An-bieter bündelt.

Der Aufbau eines eigenen Webshops gilt in China als Königsweg. Diese Option ist zeit- und ressourcenintensiv, der Betreiber hat aber die volle Kontrolle über Design und Inhalte des Angebots und kann seine Marke aktiv führen. Für Einsteiger in den chinesischen E-Commerce ist zu empfehlen, eine Doppelstrategie zu fahren: Standardprodukte mit hohen Volumina und eher geringem Wert werden im Shop eines großen Marktplatzes angeboten, das komplette Sortiment inklusive der teuren Premiumprodukte im eigenen Webshop.

Webshops sollten von Anfang an für den M-Commerce über Smartphones oder Tablets kon-zipiert werden, der in China schnell wächst. Auch im B2B werden immer mehr Einkäufe über Mobilgeräte abgewickelt. Weil chinesische Suchmaschinen zunehmend Websites auslisten, für die es keine mobil-optimierte Ansicht gibt, gilt für viele Unternehmen sogar die Devise „Mobile First!“. Ausländische Hersteller können sich in der Volksrepublik ohne M-Commerce sehr schnell ins Abseits manövrieren.

Die Herausforderung liegt darin, digitale Angebote innerhalb der gegebenen Rahmenbedin-gungen den Anforderungen der chinesischen Kunden entsprechend zu gestalten. So müs-sen die nationalen Vorgaben zu erforderlichen Lizenzen und Zertifikaten, zum Datenschutz und zur Haftung sowie zum Schutz des geistigen Eigentums beachtet werden. Allein von 2011 bis 2015 wurden in China 17 neue Vorschriften für den E-Commerce erlassen. Gerade im rechtlichen Bereich sind in den kommenden Monaten weitere tiefgreifende Neuerungen geplant, darunter das erste dedizierte E-Commerce-Gesetz. Auch dürfen E-Commerce-Angebote nicht um das Produkt, sondern müssen um den chinesischen Kunden herum auf-gebaut werden. Dessen Anforderungen sind zu ermitteln. Um Konflikte zu vermeiden, sollten auch in China Offline- und Online-Kanäle optimal verbunden sowie der Fachhandel und der Vertrieb eingebunden werden. Grundsätzlich gilt, zu vernetzen statt zu ersetzen.

Kulturelle Anpassungen

Nicht nur bei der Werbung, auch bei der Gestaltung von Onlineshops können Unternehmen in China ins Fettnäpfchen treten. Als Grundregel gilt, Inhalte vollständig und fehlerfrei zu übersetzen. In der chinesischen Kultur sind gegenseitiger Respekt und Wertschätzung tief verankert, und unvollständige oder fehlerhafte Texte auf Internetseiten suggerieren dem chi-nesischen Kunden mangelnden Respekt und fehlende Wertschätzung. Er fühlt sich nicht ernst und wichtig genommen. Ein fehlerbehafteter Webshop wird als unseriös empfunden.

Während Shop-Designs in Deutschland im B2B häufig funktional und technologieorientiert sind, darf es in China bis zu einem gewissen Maß auch etwas bunter und plakativer sein. Grelle Farben und wuchtige Schrifttypen kommen im chinesischen B2B durchaus vor, wenn sie zum Produkt passen. Imagebilder sind oft emotional und farbenfroh. Beliebte Themen, die in Bildern häufig aufgegriffen werden, sind Umwelt, Familie, Sicherheit und Nachhaltigkeit. „Green“ steht in China derzeit hoch im Kurs.

Social Media und Kundeninteraktion

Social Media spielen im chinesischen B2B eine weitaus größere Rolle als in Deutschland, entsprechend wichtig ist ihre Anbindung an einen Webshop. Die meisten dieser Plattformen sind hierzulande völlig unbekannt. Ihre Integration in den E-Commerce ist vor allem deshalb wichtig, weil die Empfehlung eines Bekannten in der kollektivistischen chinesischen Gesellschaft weit mehr wiegt als die Werbebotschaft eines Unternehmens.

WeChat, das chinesische Pendant von WhatsApp, ist eine Instant Messaging App, die mittlerweile von etwa 400 Millionen Chinesen verwendet wird. Neben der Nachrichtenfunktion bietet WeChat weitere Features, beispielsweise eine Chronik bzw. einen Newsfeed im Stil von Facebook. Unternehmen können über ihren WeChat-Account Produkte oder Aktionen vorstellen und zum Produktsupport direkt mit dem Kunden in Kontakt treten. Chinesische Kunden fordern zunehmend eine direkte Interaktion mit einem Anbieter. Solche Angebote sollten direkt mit dem Webshop verlinkt sein. Per SSO (Single-Sign-On) kann man dem Ein-käufer die Möglichkeit geben, sich mit seinem Weibo- oder WeChat-Account im Onlineshop anzumelden und sein Interesse oder seine Erfahrungen im Netzwerk zu teilen.

Technik und Payment

Es ist nicht ratsam, im Backend des existierenden deutschen Webshops einfach eine chinesische Sprachversion anzulegen und auf chinesische Käufer zu warten. Die große räumliche Distanz sowie die Prüfung aller ein- und ausgehenden Datenpakete durch die „Great Fire-wall“ hat zur Folge, dass die Übertragungsgeschwindigkeit enorm leidet. Untersuchungen zeigen, dass der Aufbau einer europäischen Standard-Website in China 30 Sekunden und länger dauern kann. Vor diesem Hintergrund ist es nur verständlich, dass Nutzer oftmals vor dem Abschluss der Transaktion entnervt abbrechen. Auch ist es aufgrund der staatlichen Kontrolle jederzeit möglich, dass der deutsche Webshop in China plötzlich nicht mehr erreichbar ist. Diese Sperrungen erfolgen unangekündigt und ohne Begründung. Daher sollte das Hosting grundsätzlich in China angesiedelt werden, auch wenn dafür zunächst über die Vergabestelle CNNIC (China Internet Network Information Center) eine .cn-Domain registriert und eine „ICP License“ (Internet Content Provider License) vom Chinesischen Ministe-rium für Industrie und Informationstechnologie beschafft werden muss.

Auch beim Checkout gibt es Unterschiede zwischen Deutschland und China. So ist in China beispielsweise kein getrenntes Feld für Vor- und Nachname nötig, da beide Namensteile zusammen in ein Feld eingegeben werden. Auch muss nicht zwischen Liefer- und Rech-nungsadresse unterschieden werden. Vielmehr ist es wichtig, dass chinesische Kunden, vor allem im B2B-Bereich, die Möglichkeit bekommen, eine offizielle Rechnung zur Vorlage bei der Steuerbehörde (fapiao) anfordern zu können.

Bei der Bezahlung gelten in China andere Standards als in Deutschland. Westliche Kredit-karten sind dort kaum verbreitet, auch Vorkasse oder Kauf auf Rechnung sind aufgrund des fehlenden Vertrauens zwischen Käufer und Verkäufer nicht üblich. Hier helfen Payment Ser-vice Provider wie Alipay. Der Service ähnelt Paypal und ist mithilfe von Partnerbanken auch für ausländische Firmen ohne Niederlassung in China und auch ohne Alibaba-Shop nutzbar. Die Gebühren für Auslandstransaktionen sind allerdings hoch. Ebenfalls häufig genutzt wird China Union Pay, die chinesische Entsprechung des Maestro-Systems. Im B2B gibt es wei-tere spezielle Zahlungsverfahren, die von einzelnen Banken angeboten werden.

Anbindung an die Realwirtschaft

Warehousing und Shipping sind kritische Erfolgsfaktoren im E-Commerce in China. Es gibt drei Varianten, die einzeln und parallel angeboten oder kombiniert werden können: der Di-rektversand aus Deutschland, das „Bonded Warehouse“ oder das eigene Logistikkonzept in China. Bei allen drei Varianten ist es wichtig, qualifizierte Partner und Dienstleister zu finden.

Bei Know-how-intensiven und kundenindividuellen Produkten mit geringen Stückzahlen ist der Direktversand aus Deutschland angemessen. Eine Niederlassung in China und eine lo-gistische Infrastruktur sind nicht erforderlich, und der Kunde kann sicher sein, ein Original-produkt zu erhalten. Auch im B2B sind chinesische Einkäufer besorgt, ein Original zu bestel-len, aber ein Plagiat zu erhalten. Besonders an den Schnittstellen der Supply Chain, zum Beispiel in Lagerhäusern, werden oft Fakes in die Lieferkette eingeschleust. Dies kann durch Direktversand oder aber eine konsequente Absicherung der Supply Chain umgangen werden.

Bonded Warehouses sind von Drittanbietern verwaltete Lagerhäuser, in denen für importierte Waren die Zollkontrolle sowie Zwischenlagerung, Verpackung und Versand zum Endabneh-mer abgewickelt werden. Eine Niederlassung und Infrastruktur sind nicht erforderlich, die Möglichkeiten beim Kundenservice sind aber eingeschränkt. Bonded Warehouses liegen typischerweise in Freihandelszonen wie dem Suzhou Industrial Park (SIP), 50 Kilometer westlich von Shanghai, oder der Ningbo Bonded Logistics Zone. Die Einkäufer profitieren von der schnellen Zollabwicklung und Lieferung, allerdings ist dieses Modell aufgrund der hohen Kosten oft nur für große Unternehmen mit hohen Volumina rentabel.

Ein eigenes Logistikkonzept aus der chinesischen Niederlassung heraus bietet deutschen Unternehmen bei der Gestaltung der Lieferkette und der Wahl der Zahlungsmöglichkeiten oder Kooperationspartner die größtmögliche Freiheit. Außerdem kann der in China wichtige Kundenservice bereitgestellt werden. Die freie Wahl der Zustelldienste ermöglicht es, den Kunden mehrere Versandarten von „günstig und etwas langsamer“ bis hin zu „teuer und schnell“ anzubieten. Typische, in China sehr beliebte aber bei uns kaum bekannte Zustell-dienste sind „EMS“ und „SF Express“, die allein 40% der chinesischen Kuriersendungen abwickeln.

Besonders attraktiv an diesem Modell ist die Option, von China aus auch die umliegenden Länder der ASEAN-Region zu bedienen, die als Absatzmarkt immer attraktiver werden. Wer China als Basis nutzt, kann von dort aus relativ einfach per Land-, Luft- oder Seeweg Südostasien vertrieblich erschließen. Weil die ASEAN-Länder sehr heterogen sind, sollte jedes Land mit einem auf die lokalen Bedürfnisse abgestimmten Onlineshop-Konzept bedient wer-den.

Autor: Von Alexander Gangnus von Chinabrand Consulting, einem integrierten, international tätigem Beratungsunternehmen und Service Provider mit dem Fokus auf Intellectual Property, Innovation und globalen Wettbewerb. Es verfügt über umfassende internationale Ressourcen und arbeitet für Unternehmen, die bereits langjährige Erfahrung im Ausland besitzen. Regionale Schwerpunkte sind China und Asien.


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