03.04.2018 – Kategorie: Handel, Marketing, Recht

DSGVO: Das Ende des ungefragten Datensammelns?

Datenschützer sehen sich bald am Ziel: dem ungefragten Datensammeln ein Ende zu machen. Der Nutzer soll in Zukunft die Möglichkeit haben, informiert und freiwillig dem Tracking zuzustimmen – oder es abzulehnen. Die Datenschutzgrundverordnung wird dafür den Rahmen setzen.

Datenschützer sehen sich bald am Ziel: dem ungefragten Datensammeln ein Ende zu machen. Der Nutzer soll in Zukunft die Möglichkeit haben, informiert und freiwillig dem Tracking zuzustimmen – oder es abzulehnen. Die Datenschutzgrundverordnung wird dafür den Rahmen setzen.

Die Bombe platzte am Donnerstag, dem 22. März, in Hamburg. Auf einer Fachtagung der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit berichteten Vertreter der Hamburger und Münchner Aufsichtsbehörden, dass man der ungefragten Datensammelei schon ab Mai 2018 ein für alle Mal ein Ende setzen will. Die Konsequenzen hätten das Zeug, das Internet in seinen Grundfesten zu erschüttern.

Zündstoff für datenbasierte Geschäftsmodelle

„Was hier vorgestellt und diskutiert wurde, birgt echten Zündstoff“, ist sich Christian Bennefeld von eBlocker sicher, einem Unternehmen, dessen gleichnamige Lösung dem Nutzer die Kontrolle über die eigenen Daten auf allen Endgeräten sichern soll, indem sie alle Datensammler aussondert. „Wenn das so kommt – und davon gehe ich aus – wird sich das Internet deutlich verändern. Datenbasierte Geschäftsmodelle sind die klaren Verlierer – deutlicher Gewinner ist die Privatsphäre der Nutzer.“

Die strengere Sicht der Datenschützer leiten sie bereits aus der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung ab – auch ohne dass die speziellen Internet-Regelungen der ePrivacy-Verordnung in Kraft wären. Die Aufsichtsbehörden wollen die Überwachung der Nutzer zum Anfertigen persönlicher Profile erheblich einschränken: Surfer sollen nicht mehr bloß über die Verwendung von Datensammlern in Kenntnis gesetzt werden und dem Tracking widersprechen können, sondern müssen jetzt informiert einwilligen. Konkret bedeutet das:

  • Tracken nur mit Zustimmung: Surfer müssen beim Besuch von Internetseiten informiert, freiwillig und explizit entscheiden, ob sie der Überwachung durch Datensammlern (englisch „Trackern“) zustimmen. Das könnte zum Beispiel in Form von Checkboxen oder Pop-ups erfolgen. Dabei muss wahrscheinlich jeder einzelne Tracker abgefragt werden und man kann die Einwilligung jederzeit widerrufen.
  • Marktortprinzip: Die Regelung gilt für alle Internetseiten, die sich an deutsche Nutzer wenden. Sprich: Bietet eine Seite deutsche Inhalte oder Waren in Euro, muss sich der Betreiber an die Vorgaben halten. Dadurch fällt der Kreis der betroffenen Unternehmen – und Nutzer – deutlich weiter aus. Die deutschen Ausgaben von Facebook, Google, Amazon & Co. könnten also zum Beispiel bei der Datenverarbeitung nicht mehr auf laxeres US- oder irisches Recht pochen.
  • Hohe Strafen: Bei Verstößen drohen harte Sanktionen. Möglich sind Strafzahlungen bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu 4 Prozent des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes eines Konzerns. Ebenfalls neu: Die Kontrollen sollen automatisiert und damit massiv erweitert werden.

Schluss mit unkontrollierter Profilbildung

Seit Jahren gibt es im Web nahezu alles umsonst – so der Irrglaube. Tatsächlich zahlen Surfer den freien Zugang zu Nachrichten, Videos, Musik oder auch Suchmaschinen mit einer harten Währung: personalisierten Nutzerprofilen. Unternehmen wie Google und Facebook verdienen mit dem Geschäftsmodell Milliarden. Nur scheinen die meisten Verbraucher das System dahinter nicht zu verstehen. Kein Wunder, schließlich erfolgt die Datensammelei sowie das Verknüpfen der Daten zu persönlichen Profilen meist unauffällig im Hintergrund.

Dieser Punkt ist Datenschützern schon lange ein Dorn im Auge. Dass damit endlich Schluss sein muss, fordern sie seit Jahren. Ein Hoffnungsschimmer war die von der EU angekündigte ePrivacy-Verordnung. Doch es zeichnet sich ab, dass diese nach Übergangsfristen erst 2020 bindend zum Tragen kommen wird – aus Sicht der Datenschützer zu spät.

Das Internet wird sich deutlich zugunsten der Privatsphäre verändern

Die Regelung betrifft alle Datensammler, die Website-übergreifend Surfer verfolgen und Profile bilden. Bekannte „Opfer“ wären beispielsweise Google Analytics, Facebook, Custom Audience, Criteo, aber auch alle gängigen Retarging- und Affiliate-Werkzeuge.

Keine ausdrückliche Zustimmung ist dagegen für Instrumente erforderlich, hinter deren Betrieb ein „berechtigtes Interesse“ steht. Gemeint sind zum Beispiel Reichweitenmessungen der Verlagsindustrie, um festzustellen, wie viele Besucher und Seitenaufrufe ein Angebot hat. Ebenso können Tracking-Systeme, die keine Website-übergreifenden Profile bilden und nur dem Zwecke der Website-Optimierung dienen, ohne Einwilligung verwendet werden.

Trotzdem – für die digitale Wirtschaft und Medien bedeuten die neuen Regelungen eine Zäsur. Die Geschäftsmodelle unzähliger Internet-Angebote dürften nicht mehr so gut funktionieren. Denn lehnt ein Nutzer das Tracking ab, muss ihm die Website die gleichen Inhalte bieten, als wenn er zugestimmt hätte. Warum also zustimmen?

Aber auch für Surfer ändert sich einiges – aus Datenschutzsicht vieles zum Guten. Allerdings droht das Internet komplizierter zu werden. Denn die Tracker-Wahl würde auf jeder einzelnen Seite stattfinden und muss wahrscheinlich regelmäßig wiederholt werden. Außerdem ist es fraglich, ob alle Verbraucher das nötige Wissen für die Tracker-Wahl besitzen.

Fest steht: Die Pläne der Datenschützer bringen große Veränderungen für Website- Betreiber und Nutzer. Es bleiben aber viele Fragen offen. Wie kompliziert wird das Web? Wie werden ausländische Internet-Unternehmen reagieren? Wirken die abschreckenden Strafen wirklich? Und wie soll das Ganze auf Internet-Geräten wie Smart-TVs und IoT-Geräten funktionieren?


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