15.07.2022 – Kategorie: Digitale Transformation
Digitalisierungsprojekte bei Kanzleien – ausgebremst durch die hohe Arbeitslast
Der jetzt von der DATEV veröffentlichte Digitalisierungsindex liegt weiterhin auf hohem Niveau. Allerdings werden viele Digitalisierungsprojekte in Steuerkanzleien von der hohen Arbeitslast ausgebremst. Zugleich bemerken die Steuerkanzleien die sich wandelnde Arbeitswelt.
Der aktuelle DATEV-Digitalisierungsindex für die Steuerberatung liegt mit 109,5 Indexpunkten fast unverändert (-0,1) auf dem Niveau vom September 2021. Der Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar hat sicherlich Auswirkungen auf die Befragungsergebnisse (Befragungszeitraum: 21. Februar bis 18. März), da der Krieg neben den bereits vorher bestehenden Krisen mit Corona und dem Klimawandel ein weiterer Unsicherheitsfaktor für die Wirtschaft ist. Diese Verunsicherung lässt sich auch in den Umfrageergebnissen erkennen: Die Kanzleien hatten vor und in der Pandemie vielfach Digitalisierungsprojekte auf die Agenda gesetzt, wie die Einführung von digitalen Dokumentenmanagement-Systemen oder den Ausbau digitaler Dienstleistungen.
Kanzleien verschieben geplante Digitalisierungsprojekte
Allerdings werden bereits geplante Digitalisierungsprojekte offensichtlich wieder verschoben. So bleibt beispielsweise bei der Frage, ob ein digitales Mahnwesen bereits eingeführt wurde, der Wert mit 33 Prozent praktisch unverändert zur vorherigen Befragung. Der Anteil an Kanzleien, der eine Implementierung in den nächsten ein bis vier Jahren geplant hat, sinkt hingegen von 29 auf 19 Prozent. Zugleich ist der Anteil an Kanzleien, der dies nicht plant, von 39 auf 49 Prozent angestiegen. Es ist ein wiederkehrendes Muster, das sich auch bei der Einführung von anderen digitalen Dienstleistungen wie Liquiditätsplanung, Anbindung von Vorsystemen und Zahlungsverkehr wiederfindet.
Digitalisierungsprojekte werden angesichts der hohen Arbeitslast und allgemeinen Unsicherheit offensichtlich zurückgestellt. So nachvollziehbar diese Reaktion ist, so sollte sie doch nicht zulasten strategischer Weiterentwicklungen gehen, gerade auch um im technologischen Wandel mithalten zu können und krisenresilienter zu werden. Dies zeigt sich beispielsweise beim Vergleich der Kanzleien, die eine Stärken-Schwächen-Analyse zum Digitalisierungsstand durchgeführt haben, mit jenen, die dies noch nicht getan haben.
Der Digitalisierungsindex ist in der ersten Gruppe um 41,4 Indexpunkte und damit rund 20 Prozent höher als in der zweiten Gruppe. Und es zeigt sich auch, dass diese Kanzleien in der aktuellen Situation auch deutlich resilienter sind: Beim gleichzeitig erhobenen Branchenbarometer schneiden sie mit 4,2 Indexpunkten deutlich besser ab als Kanzleien ohne Analyse, auch bei den Teilindizes „aktuelle geschäftliche Lage“ (plus 5,9) und „Erwartungen“ (plus 2,7) sind die Differenzen spürbar.
Digitalisierungsprojekte: Aufgeschoben darf nicht aufgehoben sein
„Ich kann alle verstehen, die angesichts der Arbeitsbelastung nach Freiräumen suchen, um die akuten Aufgaben irgendwie in den Griff zu bekommen. Doch die Zahlen machen für mich sehr deutlich: Aufgeschoben darf nicht zu aufgehoben werden. Digitalisierung ist ein wesentlicher Faktor, um in einer Welt, in der sich mehrere Krisen überlagern, sicher in die Zukunft zu navigieren“, so Dr. Robert Mayr, CEO der DATEV eG.
Die Kanzleien, die eine Stärken-Schwächen-Analyse durchgeführt haben, sind auch bei der Umsetzung ihrer Digitalisierungsprojekte erheblich weiter und haben seltener Projekte im Planungsstadium verschoben. So haben beispielsweise 86 Prozent der Kanzleien, die eine solche Analyse durchgeführt haben, bereits ein Dokumenten-Management-System (DMS) eingeführt. Dem gegenüber stehen bei den Kanzleien ohne Analyse 66 Prozent mit eingeführtem DMS. Ähnliche Bilder gibt es bei Dienstleistungsangeboten wie Anbindung an Vorsysteme (66 Prozent gegenüber 42 Prozent), Zahlungsverkehr (75 Prozent gegenüber 44 Prozent), Liquiditätsplanung (53 Prozent gegenüber 32 Prozent) oder Mahnwesen (44 Prozent gegenüber 25 Prozent).
Digitalisierung und Corona verändern die Arbeitswelt nachhaltig
Große Einigkeit herrscht bei den Kanzleien – groß wie klein – darüber, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt verändert hat und auch weiter verändern wird. 79 Prozent stellen für die Umsetzung ihrer Digitalstrategie die notwendigen Mittel bereit und 73 Prozent kommunizieren offen mit ihren Mitarbeitenden über die Entwicklungen in ihrem Arbeitsumfeld. Das wirkt sich positiv aus: Fast die Hälfte aller Kanzleien gibt an, dass ihre Mitarbeitenden sich aktiv mit Vorschlägen für Digitalisierung einbringen.
Insgesamt sagen 59 Prozent der Kanzleien, dass Corona – neben vielen negativen Aspekten, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsbelastung – durchaus die Arbeit auch positiv verändert hat. So spricht knapp die Hälfte in diesem Zusammenhang von Veränderungen in den Arbeitsabläufen. An erster Stelle werden dabei eine beschleunigte Digitalisierung von Prozessen und neue digitale Formen der Kollaboration genannt. Natürlich wird hier oft auf die mittlerweile allgegenwärtige Videokonferenz verwiesen, doch vielfach geht es auch um echte digitale Zusammenarbeit, beispielsweise über Kollaborationslösungen wie DATEV Unternehmen online.
So hat die Corona-Pandemie den Befragten zufolge deutlich dazu beigetragen, die Akzeptanz der Digitalisierung von Prozessen sowohl unter den eigenen Mitarbeitern (62 Prozent) wie Mandanten (61 Prozent) zu steigern. Doch auch organisatorische Veränderungen spielen eine große Rolle. Dabei geht es insbesondere um mehr Flexibilität, mobile Arbeit und die Einführung neuer Arbeitszeitmodelle. 67 Prozent der Kanzleien erwarten ausdrücklich, dass Homeoffice dauerhaft bleiben wird, und ebenso viele Befragte geben an, dass Mitarbeitende auch künftig eigenverantwortlicher arbeiten werden.
DATEV legt Geschäftszahlen für 2021 vor
Die DATEV eG hat im Geschäftsjahr 2021 einen Umsatz von 1,22 Milliarden Euro erzielt, was einem Zuwachs von 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Und auch in das erste Halbjahr 2022 (1. Januar bis 30. Juni) ist der genossenschaftliche IT-Dienstleister mit einem Umsatz von 639,6 Millionen Euro gut gestartet. Die Zahl der Mitarbeitenden stieg auf 8.400. „Angesichts der aktuellen angespannten wirtschaftlichen Lage in Deutschland, der EU und weltweit agieren wir als verlässlicher Partner unserer Mitglieder und deren meist mittelständischen Mandanten“, sagte Dr. Robert Mayr, Vorstandsvorsitzender der DATEV, bei der Jahrespressekonferenz am 8. Juli 2022.
Neben den politischen und gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen blickt der Vorstandsvorsitzende der DATEV besorgt auf die aktuellen Entwicklungen im steuerberatenden Berufsstand und bei den mittelständischen Unternehmen. Die extrem hohe Arbeitsbelastung in den Kanzleien und das drängende operative Krisenmanagement in den Unternehmen lässt kaum Luft übrig für strategische Weiterentwicklungen oder Digitalisierungsprojekte. Gerade dies wäre aber erforderlich, um im technologischen Wandel mithalten zu können und krisenresilienter zu werden. „Das beschäftigt uns sehr“, so Mayr.
DATEV unterstützt zukunftsfähige Arbeitsabläufe in Kanzleien
Überzeugt ist der CEO der DATEV, dass Cloud-basierte Ökosysteme mit übergreifenden Datenflüssen und Prozessen zwischen Anwendungen aller Geschäftspartner die IT-Infrastruktur der Zukunft darstellen. Dass DATEV die Kunden auf dem Weg in diese Zukunft erfolgreich begleitet, zeigt auch das Kundenwachstum: Im Mai überschritt der IT-Dienstleister erstmals die Marke von 500.000 Kunden. Diese sind zu 99 Prozent Genossenschaftsmitglieder und ihre Mandanten, viele davon arbeiten bereits mit Cloud-Lösungen. „Wir entwickeln unser Portfolio und unsere Schnittstellen konsequent in diese Richtung weiter. Dabei geht es uns vor allem um die zukunftsfähige Gestaltung der Arbeitsabläufe in den Kanzleien und in der Zusammenarbeit mit den Mandanten, insbesondere den mittelständischen Unternehmen“, sagte Mayr.
Der genossenschaftlich organisierte IT-Dienstleister hat deshalb neben seinem klassischen Rechenzentrum, in dem bislang alle Daten und Online-Anwendungen liegen, ein neues, hochmodernes Cloud-native Rechenzentrum aufgebaut. „Damit haben wir eine zukunftsweisende Basis geschaffen, um schneller und effizienter in der Cloud neue Services und Technologien zu implementieren und skalieren“, betont Mayr.
Die Cloud-Technologie mache es für Unternehmen und Kanzleien möglich, partnerübergreifend durchgängig integrierte kaufmännische Prozesse zu schaffen. Wie sich das auswirkt, verdeutlichte Mayr an dem Beispiel der E-Rechnung: Wenn Rechnungen in einem standardisierten Datenformat wie etwa ZUGFeRD oder XRechnung digital an Geschäftspartner weitergeleitet werden, können die darin enthaltenen Daten automatisiert verarbeitet werden, beispielsweise für die Finanzbuchführung oder die Zahlungsfreigabe. So ließen sich alle kaufmännischen Aufgaben über durchgängig digitale Prozesse effizient erledigen. Die DATEV bietet zum Beispiel mit SmartTransfer seit einigen Jahren eine passende Lösung an. Über diese wurden 2021 mehr als 3,32 Millionen Dokumente zwischen Unternehmen ausgetauscht – im Mai 2022 waren es allein 338.237 Dokumente.
DATEV setzt schon länger auf Energieeinsparung im Rechenzentrum
In Zeiten massiv steigender Energiepreise gilt es den hohen Energiebedarf von IT-Infrastruktur im Blick zu haben. Die DATEV hat in den vergangenen Jahren im großen Umfang in das eigene Rechenzentrum investiert, sowohl in den Ausbau der Serverlandschaft als auch in Maßnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs, insbesondere bei den Kühl- und Lüftungsanlagen. Aufgrund dieser Anstrengungen liegt der PUE-Wert des Rechenzentrums mit 1,4 auf einem sehr guten Niveau. Dieser Wert gibt an, in welchem Verhältnis der insgesamt für das Rechenzentrum verbrauchte Strom zu dem für die eigentliche Arbeitsleistung der IT-Infrastruktur benötigte steht.
Seit 2009 hat sich die Leistungsfähigkeit der zentralen Prozessoren verfünffacht. Die Speicherkapazität der DATEV-Rechenzentren ist seit 2005 von unter 1.000 Terabyte auf inzwischen über 158.000 Terabyte gestiegen. 2011 gab es 6.000 Server, heute sind es 22.300. „Das alles zeigt das immense Wachstum unserer IT-Infrastruktur. Gleichzeitig ist unser Strombedarf in unseren Rechenzentren in den vergangenen zwölf Jahren aber nur um etwa die Hälfte gestiegen“, erläuterte Diana Windmeißer, CFO der DATEV. (sg)
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