07.03.2023 – Kategorie: Digitalisierung

Digitalisierungsprojekt: Wie die neue Deutsche-Bahn-App umgesetzt wurde

Quelle: keBu.Medien/Adobe Stock

Es war mir schon immer ein Anliegen, die Zukunft der Mobilität digitalisiert und nachhaltiger zu gestalten. Dieses verfolge ich seit 2018 als Programmleiter des ambitonierten Digitalisierungsprojekts von DB Vertrieb „Vendo“. Mit der Einführung des neuen Vertriebssystems im kommenden Jahr wird das aktuelle System sowie der Navigator als auch Bahn.de abgelöst. Für alle Beteiligten ein Aufbruch zu neuen Höhen.

Es ist keine leichte Aufgabe, ein mulitmodales Vertriebssystem aufzubauen, dass eine der erfolgreichsten Apps in Deutschland, die APP der Deutschen Bahn, ablösen soll. Das aktuelle System verarbeitet täglich bis zu einer Million Tickets und muss pro Sekunde in der Spitze 700 Auskünfte über den Navigator und Bahn.de geben. Dies muss das neue System natürlich auch, und darüber hinaus soll es noch weitere, optimierte Services für die Kunden bieten.

Daher stellte das neue Vertriebssystem von Beginn an sehr hohe Ansprüche an sich selbst: starke Leistungsfähigkeit, komplett skalierbar, ohne monolithische Strukturen – der Abschied vom eigenen Rechenzentrum inklusive. Hundert Prozent des Systems sind eigenentwickelt. Die veraltete Architekturlandschaft wird modernisiert, der Kunde soll mehr im Fokus stehen, dazu werden Prozesse überdacht und neue innovative Modelle und Konzepte eingesetzt. Die 100%ige Eigenentwicklung des Produktes ist wichtig, um das Kernsystem im Eigenbesitz zu haben. Nur laufen darf es woanders. Zurzeit hostet noch AWS, aber in Zukunft wollen wir auch Kunde anderer Cloud-Provider werden. Cloud, Microservices und Kubernetes sind die Bausteine der Vendo-Architektur und wir möchten jeden Fall so weit wie möglich auf Open-Source-Basis unterwegs sein. Unser Ziel ist es, die IT-Systeme für eine verbesserte User Experience neu aufzusetzen, und die Time-to-Market zu reduzieren.

Digitalisierungsprojekt: Der Aufstieg

Die Vorbereitungen für das Digitalisierungsprojekt waren nicht leicht, denn besonders die zeitlichen Rahmenbedingungen sowie der Bedarf an verschiedenen Fach- und Technikexperten war schwer zu kalkulieren. Um die Herausforderung eines mehrjährigen Programms durchzuführen und gleichzeitig auf neue Anforderungen, bspw. durch rechtliche Änderungen und Informationssicherheit, flexibel eingehen zu können, wurde die agile Arbeitsmethodik nach SAFe eingesetzt. Das neue System soll nicht 1:1 von alt auf neu umgestellt werden – das stand für alle von Beginn an fest. Daher entschieden wir uns für die Roadmap Methodik. Neugedachte Ansätze und Konzepte mit Kundenfokus sollten durch ein eigens dafür eingerichtetes Portfolio-Team und Business Analysten gemanagt werden. Auch die Basis für die technische Lösung wurde schnell gefunden. Die digitale Mobilitätsplattform besteht aus vielen verschiedenen (Micro) Services sowie IT-Komponenten, um den kunden- und DBV-seitig gewünschten Funktionsumfang abzudecken. Somit handelt es sich um ein komplexes System aus Soft- und Hardwarekomponenten.

Im Nebel…

Nach Beginn des Projekts waren die ersten Monate ein emotionales Auf und Ab. Lange Zeit waren die Erfolge nicht sichtbar und Unsicherheiten schlichen sich ein. Laufen alle Teams gemeinschaftlich rund? Immerhin mussten 500 Mitarbeiter in diversen Rollen und 24 Entwicklungsteams funktionieren. Auch die Frage, was die neuen Kanäle den Kunden bieten müssen, stand im Raum. Welche Features sind überholt? Hierfür wurden eigens die Steuerungselemente und Governancemechanismen angepasst.

Um Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen, haben wir anfangs im wöchentlichen Rhythmus ein Reporting erstellt. So sollte der Fortschritt und die Prognosefähigkeit gewährleistet werden. Das Reporting war natürlich essenziell, um bei diesem großen Digitalisierungsprojekt immer den Überblick zu behalten. Dieses haben wir laufend optimiert und erweitert. Die KPIs sind jetzt tagesaktuell abrufbar und wir haben weitere neue Steuerungselemente eingesetzt, um möglichst gut den Überblick zu haben. Doch auch der Fachkräftemangel machte bzw. macht uns zu schaffen. Wir mussten durch kontinuierliches Tracking unser Ressourcenmanagement immer wieder neu ausrichten. Auch hierfür haben wir verschiedene Elemente eingesetzt, um dies bestmöglich handhaben zu können.

Erste Station erreicht

Das erste große Teilziel war die Einführung der Beta-phase. Bis Ende Oktober 2022 läuft Vendo noch parallel zum alten System. Allerdings hatten 12.000 ausgewählte Bahnkunden die Möglichkeit, die neuen Versionen des Frontends zu testen und Feedback zu geben. Es gab viel Lob, vor allem aber auch reichlich konstruktive Kritik, die dem Entwicklungsteam aber geholfen hat, die Produkte noch besser den Kundenwünschen anzupassen. So konnten wir eine Community aufgebauen und ein Feedback-Prozess aufgesetzen, um die Lösungen in interaktiven Schleifen weiter­zuentwickeln. Bis zum großen Ziel der fertigen App laufen die Vorbereitungen für die Open-Beta-Version auf Hochtouren. Die zunehmende Komplexität stellt die Teams, die Programmkommunikation und das Zusammenarbeitsmodell auf die Probe. Externe Abhängigkeiten müssen eng getrackt werden und Entscheidungswege verkürzt werden, denn die Zeit läuft. Der Fokus liegt ganz klar auf den E2E Tests und zeitnahe und priorisierte Behebung von Fehlern.

Digitalisierungsprojekt: Der Gipfel in Sicht

Ab Oktober soll die Open-Beta-Version live gehen, gefolgt von der größten Herausforderung im nächsten Jahr: die Migration auf das neue System. Die Ziele hierfür sind klar definiert. Durch die Einführung neuer Angebote in Vendo binnen weniger Minuten zahlt dies optimal auf das Programmziel „Time-to-Market“ ein. Die Skalierung ermöglicht uns auch state-of-the-art Architektur und Technologien einzusetzen. Dadurch das die unterschiedlichsten Kanäle und Touchpoints vernetzt werden, vereinfacht dies auch Sales und die Service-Prozesse. Kunden benötigen nur noch wenig Klicks für den Kauf eines Tickets, was Zeit spart und das Kundenerlebnis optimiert. Zusätzlich werden wir ein sehr kundenzentriertes Design haben, was zusätzlichen Mehrwert stiftet.

Auch nach erfolgtem Übergang in den Produktivbetrieb wird die digitale Mobilitätsplattform einem permanenten Änderungs- und Aktualisierungsbedarf unterliegen. Die Kundenwünsche und auch Vertriebsanforderungen ändern sich permanent, daher werden wir diese auch zukünftig anpassen. Schließlich entwickeln sich technologische Parameter permanent weiter und mit dieser Entwicklung möchten wir Schritt halten, um als Organisation in Zukunft schneller reagieren zu können. Daher werden wir die Software nicht mehr alt werden lassen und auch das IT technische Know How unserer Mitarbeiter wird zukünftig immer Up to Date gehalten werden.

Schließlich wollen wir ein solches Mammutprojekt in Zukunft nicht erneut durchführen müssen.

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Digitalisierungsprojekt: Wie die neue DB-App umgesetzt wurde
Bild: Deutsche Bahn

Der Autor Ralf Gernhold ist CTO Bahn Vertrieb und CIO des Digitalisierungsprojekt Vendo.


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