31.03.2021 – Kategorie: Geschäftsstrategie
Digitale Marktplätze: Durch Netzwerkeffekte zum großen Erfolg?
Datenbasierte, digitale Marktplätze gewinnen zunehmend an Bedeutung. Ihre Betreiber zählen zu den wertvollsten Konzernen der Welt und dominieren die Märkte, indem sie Konsumenten und Produzenten als sogenannte „Matchmaker“ zusammenbringen. Doch ihre Dominanz beruht auf starken Mechanismen, die schwer zu durchbrechen sind und für Marktteilnehmer Nachteile mit sich bringen.
Digitale Marktplätze: Für ihren Erfolg sind sogenannte Netzwerkeffekte verantwortlich. Wenn verschiedene Nutzer Teil desselben Netzwerks sind, dann wird die Qualität des Netzwerks dadurch bestimmt, wie viele Interaktionen zwischen den Nutzern stattfinden.
Digitale Marktplätze sind Plattformen mit Synergien
Je mehr Kunden es auf einer Plattform gibt, desto wertvoller wird die Plattform für andere Kunden. Je mehr online auf einer Plattform eingekauft wird, desto interessanter ist es für Händler, ihre Ware über diesen Online-Marktplatz zu verkaufen. Die Logik funktioniert aber auch andersherum: Je mehr Händler es gibt, desto interessanter wird die Plattform für Konsumenten. Kurzum: Angebot und Nachfrage befeuern sich gegenseitig.
Kritische Masse
Für digitale Marktplätze ist also entscheidend, wie groß die Netzwerke sind. Bei sehr hohen Netzwerkeffekten erreichen Plattformbetreiber eine kritische Masse und können ihr Geschäft schnell skalieren. So etabliert sich ihre Plattform nach und nach als Standard. Diese marktdominierende Stellung führt aber zu einem ökonomischen Ungleichgewicht: Die Starken werden immer stärker und die Schwachen immer schwächer. Das Ergebnis sind die Monopolbildungen dominanter Plattformen, auch als „Winner-takes-it-all“-Dynamik bezeichnet. Für große Plattformen ist das natürlich eine gute Entwicklung. Für kleinere Anbieter kann das aber schnell in einer Abwärtsspirale enden.
Zunächst ist es nicht planbar, welche Plattform sich durchsetzt. Mehrere Plattformen können anfangs koexistieren. Aber früher oder später setzt sich mit der steigenden Zahl der Interaktionen eine Plattform durch. Was dann auf der Seite der Nutzer auftritt, bezeichnet man auch als „Lock-in“-Effekt: Nutzer sind an den dominierenden Anbieter gebunden – auch wenn ein alternativer Anbieter vielleicht bessere Produkte anbietet.
Zum einen sind die Kosten eines Wechsels zu hoch: Zum Beispiel in Form von Zugangskosten, Registrierungsgebühren oder schlichtweg der Zeit, die es kosten würde, ein neues System zu erlernen. Zum anderen ist die konkurrierende Plattform durch die niedrigere Anzahl von Nutzern unattraktiver, da sie durch weniger Interaktionen auch weniger Möglichkeiten bietet.
Digitale Marktplätze: Die Macht des Wissens
Ist doch alles gut, so lange die User es einfach haben und auf einer Plattform alles bekommen, was sie brauchen – könnte man meinen. Aber: Die Machtkonzentration auf einen Anbieter hat Schattenseiten. Obwohl die Plattform für jeden Nutzer einen Mehrwert bietet, ist es der Plattformbetreiber, der am meisten profitiert. Als monopolistischer Akteur erzielt er hohe Margen und ein rapides Wachstum. Bei vielen der erfolgreichsten digitalen Marktplätze ist eine einzige juristische Person der alleinige Verwalter und Betreiber der jeweiligen Plattform.
So hat eine einzige Organisation Zugang zu allen Daten der Transaktionsprozesse. Sie sammelt Daten über ihre Kunden, hat genaue Kenntnisse zur Marktsituation und damit einen erheblichen Wettbewerbsvorteil. Basierend auf diesen Daten können Plattformbetreiber beispielsweise interessante Güter identifizieren, selbst herstellen, zu einem attraktiveren Preis verkaufen und zudem an die Spitze der Ergebnisliste setzen. Produzenten, die die Plattform für den Verkauf ihrer Produkte nutzen, können dagegen wenig einwenden: Entweder sie akzeptieren die Konditionen des Plattformbetreibers oder sie haben keinen Zugang zu Verbrauchern, die die Plattform nutzen.
Und die Verbraucher? Auch die können in die Irre geführt werden: Plattformbetreiber können durch die gewonnenen Informationen die Preisgestaltung personalisieren, also unterschiedliche Preise für unterschiedliche Kundentypen aufrufen, da sie jegliche Art von Transaktionsdaten sammeln, auch Nutzerdaten. Es ergibt sich ein Informationsungleichgewicht: Kunden glauben, sie sehen den echten Marktpreis, obwohl dem nicht so ist. Das ist alles andere als eine faire, ausgeglichene Wirtschaft. Die Vermittlungsfunktion der Matchmaker ist für erfolgreiche Marktplätze zwar essentiell.
Aber: Diese Koordinationsfunktion muss mit Allianzen kombiniert werden. So kann ein kooperatives System entstehen, das zwar immer als zentralen Punkt Angebot und Nachfrage zusammenbringt, aber dezentralisiert von verschiedenen Partnern – beispielsweise in Form eines Konsortiums mehrerer Unternehmen oder einer Gemeinschaft – betrieben wird.
Ökosystem mit Mehrwert für alle
Der Schlüssel für ein faires System ist die Zusammenarbeit: Verschiedene Unternehmen kooperieren und kombinieren ihre Ressourcen, um die Plattform zu entwickeln und zu betreiben, ohne dass ein einziges Unternehmen das Netzwerk kontrolliert. Dennoch konkurrieren sie auf der Ebene der Produkte und Dienstleistungen miteinander. So entsteht ein Ökosystem mit Mehrwert für alle Beteiligten. Monopolen einzelner Unternehmen, wie sie in der heutigen Plattformwirtschaft zu beobachten sind, kann man so entgegenwirken. Dieses Konzept kann auch auf die „Economy of Things“ übertragen werden, in der nicht nur Geräte miteinander verbunden sind, sondern künftig auch Transaktionsprozesse autonom ablaufen sollen.
Von den Netzwerkeffekten der dezentralen Plattform profitiert das gesamte System – und nicht nur ein einzelner Akteur, der unverhältnismäßig viel Macht erlangt. Grundlage ist auf der einen Seite die organisatorische Struktur, die durch vertrauenswürdige Regelwerke („Governance“) abgesichert werden muss, sowie, aus technologischer Sicht, offene Standards für ein dezentrales Netzwerk. Mögliche Technologien sind hier beispielsweise Blockchain als eine der sogenannten Distributed-Ledger-Technologien.
Auch weitere dezentrale Konzepte wie Multi-Party Computation oder kryptographische Protokolle wie Zero-Knowledge Proofs sind denkbar. Bei diesen Technologien hat nicht eine zentrale Instanz Einblick und Kontrolle über alle Datenströme. So entsteht eine transparente, überprüfbare und konsensbasierte Interaktion mehrerer Teilnehmer in einem kooperativen Ökosystem.
Tobias Kölbel ist Business Analyst im strategischen Vorausentwicklungsprojekt „Economy of Things“ (EoT) bei Bosch Research. Daniel Kunz ist Software-Experte im strategischen Vorausentwicklungsprojekt „Economy of Things“ (EoT) bei Bosch Research.
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