21.02.2023 – Kategorie: Digitale Transformation
Digitale Geschäftsmodelle: Wie Synergien den Unternehmenswert steigern
Wenn von „digitalen Geschäftsmodellen“ die Rede ist, fallen Namen wie Google oder Amazon. Für Produktionsunternehmen gibt es da aber oft gar nicht viel abzugucken. Hier ist die Frage vielmehr, wie man zwischen dem bereits etablierten und einem hinzukommenden (digitalen) Geschäftsmodell Synergien schafft.
Für ein Unternehmen, das physische Produkte herstellt, sind die rein digitalen Leistungen der großen Player oft keine Orientierung. Digitale Geschäftsmodelle sehen hier anders aus. Die Hochschule Karlsruhe zeigt allerdings,, dass deutsche Unternehmen den geringsten Umsatzanteil bei digitalen Dienstleistungen und Geschäftsmodellen weltweit haben: 24 Prozent – beim Spitzenreiter Kanada sind es 52 Prozent. Die Informationsbeschaffung für die Mitarbeiter, die Prozesssteuerungen oder auch die Vernetzung mit Kunden und Geschäftspartnern – alles ist bereits digitalisiert. Nur die Geschäftsmodelle fehlen vielerorts noch, weshalb die eigenen Leistungen nicht optimal ausgespielt werden.
Ein besserer Gradmesser als reine Digitalriesen ist für die Industrie etwa Tesla. Dort wurde das klassische Auto digital generalüberholt. 20 Jahre nach der Gründung hat Teslas Unternehmenswert die anderen Autohersteller abgehängt. Das liegt auch an Synergien. Etwa am Know-how bei KI oder auch dem Nachhaltigkeitsbestreben – als Tesla 2020 erstmals schwarze Zahlen schrieb, lag das auch an verkauften Abgaszertifikaten. Unterschiedliche Geschäftsmodelle harmonieren bei Tesla und befördern den gegenseitigen Profit. Genau das sollte das Ziel sein, wenn Industrieunternehmen neue, digitale Geschäftsmodelle entwickeln.
Synergien zwischen digitalen und nicht-digitalen Geschäftsmodellen
Man sollte bei der Erarbeitung digitaler Geschäftsmodelle nicht nur prüfen, was man neu lernen muss, sondern auch, welche Kompetenzen oder anderen Bausteine der bereits vorhandenen Geschäftsmodelle dafür genutzt werden können. Etwa Know-how, eine bereits etablierte Marktposition, schon vorhandene Kundengruppen usw. Wenn das neue Geschäftsmodell etwa dieselbe Zielgruppe anspricht, spart man sich Marketing-Aufwendungen, wenn nötige Kompetenzen bereits vorhanden sind, die Personalentwicklung. Solche kostensenkenden Synergien werden oft klar angepeilt. Relevant sind aber auch wertsteigernde Effekte, also„super-additive Synergien“. Wird ein solcher Effekt erreicht, übersteigt die letztendliche Wertschöpfung die individuellen Wertschöpfungen der einzelnen Elemente.
Ein Beispiel: Ein Werkzeug-Produzent rüstet seine Werkzeuge mit einer Software aus, die den Verschleiß im Voraus einschätzen kann. Hier könnte einerseits die Auswertung der Einsatzdaten die Software verfeinern – es werden aber auch die Werkzeuge selbst wertvoller, wenn sie so eine höhere Betriebsdauer schaffen. Die Software und die Werkzeuge schaukeln sich im Wert also gegenseitig auf. Möglicherweise kann derart sogar ein neuer Markt erschlossen werden.
Beispiele für „super-additive Wert-Synergien“
Ein typisches Vorgehen, um solche Potenziale zu heben, ist die Teilnahme an Online-Plattformen oder -Marktplätzen, um dort Endkunden anzusprechen. Eine aus dem etablierten Geschäftsmodell starke Marke wirkt auch auf dem digitalen Kanal und für neue Kundensegmente vertrauensfördernd. Zufriedene Endkunden könnten sogar die Stellung zu bisherigen Vertriebspartnern – etwa dem Großhandel – verbessern, wenn die eigene Marke ob höherer Bekanntheit mehr nachgefragt wird. Um den neuen Endkunden ein gutes Leistungserleben zu bieten, wird man vorhandenes Anwender- und Branchen-Wissen nutzen. Ein typisches Element, das sich im Verbund mit anderen aufschaukeln kann, ist die Kompetenz des Personals. Oft können unterschiedliche Geschäftsmodelle voneinander schon profitieren, wenn man frühzeitig das zuständige Personal in den unterschiedlichen Abteilungen einbezieht, z. B. durch gemeinsame Workshops oder Job-Rotation. Probleme, die bei der Entwicklung des digitalen Angebotes entstehen, kann man häufig auf Basis bekannter Probleme aus dem bisherigen Geschäftsmodell lösen. Ein gutes Wissensmanagement ist wichtig – Silodenken steht hier im Weg.
Digitale Geschäftsmodelle: Chefsache Synergie
Synergien findet man dort, wo man sie sucht. Deshalb sind finanzielle Synergien häufig. Aus strategischer Sicht spielen Know-how- oder funktionale Synergien aber eine mindestens ebenso große Rolle. Hier ist die Führung gefragt, systematisch Wertschöpfungsketten abzubilden, zu vergleichen und auf mögliche Synergieeffekte zu prüfen. Oft ermöglichen produktbegleitende Services (sog. „Value Added Services“) oder die Teilnahme an Online-Plattformen wertsteigernde Effekte. Empirische Studien zeigen, dass speziell Synergien mit nicht-materiellen Ressourcen die Wettbewerbsposition verbessern können. Das eigene Wissen in puncto Kunden, Technologien oder Produkten ermöglicht bessere Leistungsangebote, die schwer zu kopieren sind.
Digitale Geschäftsmodelle: Separation oder Integration?
Synergien entstehen zwischen Elementen, die voneinander unterschiedlich sind. Die gegenseitige Integration der unterschiedlichen Geschäftsmodelle ist damit ein wichtiger Faktor. Eine zu enge Annäherung an das etablierte Geschäftsmodell kann die Entwicklung des digitalen bremsen oder Innovationskraft kosten. Wenn die Trennung zu stark ist, können Synergien aber gar nicht erst entstehen. Das Auffinden möglicher Synergien bei der Geschäftsmodellentwicklung benötigt Strategen – um diese Synergien letztlich ausschöpfen zu können, braucht es aber auch Organisationsexpertise.
Lesen Sie auch: Informationssicherheit: Wie Unternehmen die ISO 27001:2022 richtig umsetzen
Der Autor Siegfried Lettmann ist Executive Interim Manager und Geschäftsführer der SLIM Management GmbH.
Teilen Sie die Meldung „Digitale Geschäftsmodelle: Wie Synergien den Unternehmenswert steigern“ mit Ihren Kontakten: