11.09.2023 – Kategorie: Digitale Transformation

Digitale Barrierefreiheit: Weshalb Unternehmen jetzt handeln sollten

Digitale Barrierefreiheit

Anfang 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft. Unternehmen müssen bis dahin ihr digitales Angebot barrierefrei zugänglich machen. Aller Anfang ist schwer, doch wer jetzt handelt, hat später klare Vorteile.

Ob bargeldloses Bezahlen, öffentliche Verwaltungen oder Industrie 4.0, die Digitalisierung in Deutschland schreitet immer weiter voran. Prozesse und Abläufe werden vereinfacht und beschleunigt. Während das für die meisten Anwender eine enorme Erleichterung bedeutet, bringt es für viele Menschen auch Hindernisse und Einschränkungen mit sich. Denn rund acht Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer physischen oder kognitiven Beeinträchtigung. Wenn eine digitale Barrierefreiheit nicht umgesetzt wird, droht angesichts der zunehmenden Digitalisierung jeder Zehnte aus bestimmten Bereichen der digitalen Welt ausgeschlossen zu werden.

Auch für die wachsende Zahl an älteren Menschen, die mit digitalen Angeboten nicht vertraut oder überfordert sind, wird eine zunehmend exklusiver werdende digitale Welt zur alltäglichen Herausforderung. Um dem Abhilfe zu schaffen, hat die Bundesregierung das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) beschlossen, das ab dem 28. Juni 2025 in Kraft tritt. Doch welche konkreten Folgen hat das Gesetz und was sollten Unternehmen bei der Umsetzung bereits jetzt beachten?

Die meisten Angebote erfüllen digitale Barrierefreiheit nicht

Die große Mehrheit der Unternehmen in Deutschland ist bisher nicht digital barrierefrei. Beispielsweise sind laut einer aktuellen Studie nur 12 von 78 getesteten Onlineshops barrierefrei. Nicht zugänglich sind auch digitale Angebote, wenn eine Tastatur für motorisch-physisch eingeschränkte Nutzerinnen und Nutzer nicht bedienbar ist. Oder auf einer Webseite keine Audio-Option für Nutzerinnen und Nutzer mit einer Sehbehinderung verfügbar ist.

Bereits bei einer Sehbeeinträchtigung sind hohe Kontraste, gut leserliche Schriftarten und eine Zoom-Fähigkeit von mindestens 200 Prozent wichtig. Eine weitere betroffene Gruppe von Beeinträchtigten sind Nutzerinnen und Nutzer von Screenreadern. Viele Probleme sind hier nicht im sichtbaren Bereich angesiedelt und betreffen etwa Beschriftungen, die Navigation durch Formulare, Beschreibungen von Bildern, Filme oder Links zu anderen Webseiten. Auch für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen gibt es eine Vielzahl digitaler Barrieren. Die Nutzung digitaler Welten scheitert häufig am fehlenden Vertrauen bei der Nutzung der Systeme. Das Misstrauen kann unterschiedliche Auslöser haben, wie Sprachbarrieren, Demenz oder geistige Behinderungen.

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz soll ab 2025 dazu beitragen, dass Unternehmen den Zugang zu Webseiten, elektronischen Dokumenten, Programmen mit grafischer Oberfläche oder mobilen Anwendungen für alle Nutzerinnen und Nutzer ohne Hindernisse ermöglichen. Die im Gesetz erwähnten Produkte und Dienstleistungen, wie etwa Computer, Notebooks, Smartphones, Geldautomaten und Check-in-Automaten, müssen also ab 2025 barrierefrei sein. Für Selbstbedienungsterminals gibt es eine Übergangsfrist von 15 Jahren. Das BFSG müssen alle Hersteller, Händler und Importeure der genannten Produkte umsetzen. Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten sind vom Gesetz grundsätzlich ausgenommen. Allerdings nur, solange sie keine Produkte in Umlauf bringen.

Digitale Barrierefreiheit – je früher, desto besser

Die große Herausforderung mit Blick auf die Umsetzung des Gesetzes ab 2025 liegt hier: Die Mehrheit der Unternehmen steht in puncto digitale Barrierefreiheit noch ganz am Anfang und hat viel Nachholbedarf. Häufig fehlt es an entsprechendem Wissen bei den dafür verantwortlichen Stellen. Und diese müssen in der Organisation der Unternehmen überhaupt erst einmal geschaffen werden. Eine mögliche Lösung wäre, externe Experten für digitale Barrierefreiheit zu Rate zu ziehen. Problematisch ist daran allerdings, dass es in Deutschland viel zu wenige davon gibt. Da spätestens ab 2024 eine hohe Nachfrage nach diesen Experten zu erwarten ist, lohnt es sich für Unternehmen umso mehr, bereits jetzt damit zu beginnen, digitale Barrierefreiheit umzusetzen.

Anforderungen des Datenschutzes erfüllen

Für Unternehmen macht das in mehrfacher Hinsicht Sinn. Ein wichtiger Grund, frühzeitig mit der Umsetzung des BFSG zu beginnen, ist der zu erwartende Wettbewerbsvorteil. Digitalisierung, die barrierefrei ist und die allgemeinen Anforderungen des Datenschutzes erfüllt, kann kurz- bis mittelfristig zu einer merklichen Wanderung im Kundenstamm führen. Jene Menschen, die aufgrund bestimmter Einschränkungen digitale Angebote von Unternehmen bis jetzt kaum oder gar nicht nutzen können, werden durch die zunehmende digitale Barrierefreiheit hinzugewonnen. Darüber hinaus wirkt sich digitale Barrierefreiheit für Unternehmen positiv auf das Image aus, was den Kundenkreis ebenfalls erweitern kann.

Generell müssen Unternehmen sich darüber bewusst werden, welche digitalen Touchpoints es in der Customer Journey gib. Und dass diese sich nicht nur auf die Website oder den WebStore beziehen. Unternehmen sollten diese Aspekte kritisch prüfen und für sich eine Entscheidung fällen, wie wichtig ihnen die Inklusion aller potentiellen Kundinnen und Kunden ist. Allerdings ändert sich dieses Verständnis auf lange Sicht nicht allein aufgrund eines Gesetzes, sondern durch eine nachhaltige Kundenbeziehung.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz trägt zur digitalen Inklusion bei

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz soll Unternehmen dazu bringen, ihre Angebote barrierefrei zu gestalten und so zu einer digitalen Inklusion beitragen. Barrierefreiheit gelingt nur dann, wenn von Anfang an mit dem Thema gearbeitet wird. Je früher mit der Umsetzung des Gesetzes und der digitalen Barrierefreiheit begonnen wird, desto mehr Vorteile ergeben sich – letztendlich für alle. Denn alle Akteure, die neue digitale Welten erschaffen, haben eine gesellschaftspolitische Verpflichtung, sich mit digitaler Barrierefreiheit zu beschäftigen. Gibt es keine Inklusion in der digitalen Welt bedeutet dies automatisch Exklusion – und damit die Ausgrenzung vieler Menschen von der Teilhabe im digitalen Leben.

Digitale Barrierefreiheit
Michael Düren ist Leiter des Geschäftsfelds IT bei der Stiftung Pfennigparade. (Bildung: Stiftung Pfennigparade)

Über den Autor: Michael Düren ist seit 2016 Leiter des Geschäftsfelds IT und verantwortet zudem den Bereich digitale Barrierefreiheit bei der in München ansässigen Stiftung Pfennigparade. Er beschreibt sich als Accessibility Advocate. Also jemand, der Zugänglichkeit und Barrierefreiheit sowie den gesellschaftlichen Diskurs darüber aktiv fördert. (sg)

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