27.08.2013 – Kategorie: eCommerce

Deutschland kämpft mit drei zentralen Problemen – eine SEPA-Bestandsaufnahme

Der Countdown für die wichtigste Umstellung seit der Euro-Einführung im deutschen Zahlungsverkehr läuft, doch nur wenige Unternehmen, Behörden und Vereine haben ihn bislang wahrgenommen: Die meisten hinken bei der Umsetzung der verbindlichen und auf den 1. Februar 2014 terminierten Vorgaben zum einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) deutlich hinterher. Die am 20. August veröffentlichte Studie („SEPA-Umsetzung in Deutschland“) von ibi research an der Universität Regensburg ergab: Erst ein Drittel der Unternehmen nutzt bereits Überweisungen im SEPA-Format und auch bei den Lastschriften handelt ein Großteil des deutschen Mittelstandes auf den letzten Drücker. Insgesamt hat lediglich gut jede fünfte Organisation bislang nur vage Vorstellungen von den Folgen der Umstellung. Dies war für das Forschungsinstitut in Kooperation mit dem BITKOM der Auslöser, das SEPA-Bewusstsein und den Status quo in der Bundesrepublik mit der „Bestandsaufnahme zur SEPA-Migration in Deutschland“ gemeinsam genauer zu beleuchten. Dabei kristallisierten sich drei zentrale Problemfelder heraus: Ein Ressourcenengpass und eine Last-minute-Umstellung, die Unsicherheiten bei der zukünftigen Nutzung von Lastschriften ohne schriftliche Mandate sowie Reputationsrisiken für den Euro und das Bankensystem.

Problem 1: Ressourcenengpass und eine Last-minute-Umstellung

Rund 30 Prozent der Befragten planen erst zum Stichtag 1. Februar 2014 die ausschließliche Nutzung der SEPA-Überweisung, bei der bislang noch deutlich geringer eingesetzten SEPA-Lastschrift verhält es sich ähnlich – dadurch sind technische und personelle Ressourcenengpässe vorprogrammiert. So gab in der Studie jedes vierte (27 Prozent) Unternehmen, das SEPA-Lastschriften nutzt oder dies vorhat, an, innerhalb von 5 Tagen durch fehlende Lastschrifteingänge Liquiditätsprobleme zu bekommen. „Die Folgen einer verspäteten Umstellung auf SEPA können fatal sein, viele unvorbereitete Unternehmen, die ein mittleres bis hohes Lastschriftaufkommen haben, könnten ab Februar 2014 durch Zahlungsstörungen in der Existenz bedroht sein“, sagt Dr. Ernst Stahl, Research Director bei ibi research.

Denn ab 1. Februar 2014 müssen Überweisungen und Lastschriften im Euroraum verbindlich in den seit einigen Jahren existierenden SEPA-Formaten abgewickelt werden. Transaktionen im alten Format werden aufgrund der EU-Verordnung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von den Banken ausgeführt. Von der Umstellung betroffen sind deshalb sämtliche Abteilungen eines Unternehmens, die mit bargeldlosem Zahlungsverkehr zu tun haben: etwa IT, Buchhaltung, Vertrieb, Einkauf oder die Personalabteilung. Die Verantwortung für das SEPA-Projekt sollte daher die höchste Management-Ebene übernehmen. „Die Umstellung der elektronischen Zahlungsprozesse ist für zahlreiche Unternehmen ähnlich komplex wie das Jahr-2000-Problem oder die Einführung des Euro“, erklärt Stahl.

Problem 2: Fehlender Konsens bei nicht schriftlichen Lastschriftmandaten

Vor allem die beliebte und preiswerte Lastschrift bei Internet-Käufen und telefonisch vereinbarten Einzügen ist in Gefahr. Der Grund ist das bei SEPA erforderliche Mandat: Es ermächtigt einen Lastschrifteinreicher, bei der Bank des Kunden Geld einziehen zu dürfen. Bislang wurden diese Einzugsermächtigungen in der Regel häufig nicht schriftlich erteilt. Laut den Standard-SEPA-Vorgaben der Banken muss ein solches Mandat nun aber in schriftlicher Form vorliegen – das würde einen hohen Mehraufwand für viele Unternehmen bedeuten, zahlreiche Geschäftsmodelle infrage stellen und eine Abkehr von der gängigen Praxis bedeuten. Laut der Studie haben 75 Prozent aller befragten Unternehmen mindestens 25 Prozent nicht schriftlich vorliegende Einzugsermächtigungen. Außerdem plant im Moment schon jeder zehnte Online-Händler, die Lastschrift als mögliches Bezahlverfahren in seinem Webshop abzuschaffen.

„Da der deutsche Gesetzgeber aber keine besonderen Formvorschriften für das SEPA-Mandat vorsieht, wäre es deshalb wünschenswert, dass ein von allen Beteiligten getragener Konsens zur Sicherung des Status quo bei der Lastschrift erreicht wird“, hofft Hans-Rainer van den Berg, Leiter der SEPA-Arbeitsgruppe im BITKOM, auf eine schnelle und gute Lösung. Denn angesichts von nur noch rund 110 Arbeitstagen bis zum Enddatum der nationalen Verfahren drängt die Zeit: Es gibt viel zu tun und keinen Plan B – die Migration auf das bereits seit 2008 existierende SEPA ist gesetzlich vorgeschrieben. „Eine Last-minute-Umstellung hat manchmal Vorteile, aber sicherlich nicht bei SEPA. Insbesondere Unternehmen, die viele Lastschriften verarbeiten und die noch nicht in der Testphase der neuen Zahlungsverfahren sind, könnten Probleme bekommen“, warnt Stahl.

Problem 3: Drohende Reputationsverluste für den Euro und das Bankensystem

Die schweren Folgen einer verspäteten Umstellung könnten zudem negative Auswirkungen auf das Image des Euro und des gesamten Bankensektors haben: Da im Gegensatz zu anderen Großumstellungen wie den Postleitzahlen oder der Einführung des Euros als Bargeld weder derzeit eine breite Medienresonanz noch eine groß angelegte öffentliche Bewerbung wahrzunehmen sind, drohen entsprechende Reputationsverluste.

Gegen die SEPA-Flaute und die zum Teil massive Anti-SEPA-Stimmung im Markt helfe nach Meinung von Stahl und van den Berg neben der angesprochenen Aufrechterhaltung der bestehenden Praxis bei der Lastschrift nur eine umgehende, wirkungsvolle Sensibilisierung der Unternehmen: Schließlich bringe der einheitliche europäische Zahlungsverkehr nach der mühevollen Umstellung langfristig auch Vorteile.


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