19.04.2018 – Kategorie: Branchen, Recht

conhIT 2018: Datenschutzregularien bremsen digitales Gesundheitswesen

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen stocke in Deutschland, weil vernünftige politische Rahmenbedingungen fehlten, kritisieren Experten. Außerdem brauche es ein E-Health-Leitbild für Deutschland. Eine Diskussion.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen stocke in Deutschland, weil vernünftige politische Rahmenbedingungen fehlten, kritisieren Experten. Außerdem brauche es ein E-Health-Leitbild für Deutschland. Eine Diskussion.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte zur Eröffnung der conhIT 2018 angekündigt, dass Deutschland in Sachen E-Health eine Aufholjagd starten wolle. Was die Ansatzpunkte der Bundesregierung angeht, blieb er aber noch wenig konkret. In Rahmen einer Session des conhIT-Kongresses zur E-Health-Strategie der neuen Bundesregierung gab es deutlichere Worte.

Digitalisierung im Schneckentempo

Der bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für IT zuständige Vorstand Dr. Thomas Kriedel wandte sich gegen das zuletzt wieder zunehmende „Bashing“ der Gematik, der Betreiberorganisation der Selbstverwaltung für die Telematikinfrastruktur (TI). Nicht die Gematik, sondern die Politiker seien schuld daran, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens im Schneckentempo erfolge: „Als Gematik-Insider kann ich nur sagen: Die Politik hat uns nicht den Rahmen gegeben, schneller zu entwickeln“, so Kriedel.

conhIT 2018

Der KBV-Vorstand nannte als Beispiele zum einen den Konnektor, mit dem Arztpraxen an die TI angeschlossen werden. Dass hier ein Stück Hardware erst entwickelt werden musste, weil es auf dem Weltmarkt so nicht erhältlich ist, sei Folge der gesetzlichen Bestimmungen.

Überängstliche Regularien

Kriedel fürchtet, dass sich der langwierige Weg zum Konnektor wiederholt, wenn es jetzt um den mobilen Zugriff auf die TI geht. Denn der werde durch gesetzliche Rahmenbedingungen ebenfalls extrem erschwert: „Wenn die Datenschutzregularien so bleiben, wie sie sind, werden wir nicht schneller agieren können. Ich erwarte mir mehr Mut von der Politik.“

Aus Sicht der Kostenträger betonte Dr. Gertrud Demmler von der Siemens Betriebskrankenkasse, dass überängstliche Regularien dazu führten, digitale Anwendungen für eine bessere Patientenversorgung auszubremsen. Diese Gefahr sah auch der Bundestagsabgeordnete Tino Sorge, E-Health-politischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion: „Wenn Apple, Amazon und Google ihre eigenen Akten in den Markt gebracht haben, reden wir nur noch darüber, ob wir Zulieferer sein dürfen.“

E-Health-Leitbild als strategische Maßnahme

Sorge äußerte vor diesem Hintergrund starke Sympathien für den vor einigen Wochen von acht Verbänden veröffentlichen Aufruf, gemeinsam ein E-Health-Leitbild für Deutschland zu entwickeln: „Wir müssen bei einer E-Health-Strategie der Bundesregierung viele Dinge denken, die wir beim E-Health-Gesetz nicht gedacht haben. Und wir müssen den Datenschutz gesetzlich so begleiten, dass Innovation nicht abgewürgt wird.“

Dies gelte nicht nur für den Themenkomplex Telematikinfrastruktur, sondern auch für den Umgang mit digitalen Gesundheitsdaten, betonte Ralf Heyer vom Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD). Im Rahmen der vom Bundesforschungsministerium angestoßenen und vom VUD mitgetragenen Medizininformatikinitiative würden derzeit mehrere medizinische Netzwerke für die Big-Data-Forschung aufgebaut. Das erfordere aber Zugang zu den klinischen Daten, und dafür wiederum seien konsentierte Standards nötig, auf die sich alle Versorgungsebenen einigen müssten – sowohl technische Standards als auch Standards im Bereich Daten-Governance.

Rückenwind erhofft sich Getrud Demmler hier von der neuen europäischen Datenschutzgrundverordnung, die in Kürze endgültig in Kraft tritt: „Diese Verordnung macht endlich klar, dass der Versicherte der Herr der Daten ist. Das steht heute zwar schon überall drüber, aber faktisch ist es in den Prozessen bisher nicht der Fall.“


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