04.04.2013 – Kategorie: IT, Management, Sonstiges
Cloud Computing: mehr als ein Hype
Nach einer Untersuchung mit 300 Unternehmen zum Thema Cloud Computing der Unternehmensberatung Deloitte 2011 erwarten Unternehmen von Cloud Computing:
- Erhöhung der Flexibilität (35 Prozent)
Vor allem in punkto Skalierbarkeit, zum Beispiel für saisonal stark schwankende Geschäftsmodelle wie in Versicherungen (erhöhtes Jahresendgeschäft), aber auch in Ausnahmephasen von ansonsten eher kontinuierlichen Geschäften wie etwa der Launch eines neuen Produktes oder temporäre Marketingkampagnen. - Kostenreduktion (35 Prozent)
Durch Ressourcen, die mit der Last flexibel skalierbar und angemietet sind, entfallen Investitionskosten für Infrastrukturen, die zur Abdeckung des Spitzenlastfalls notwendig wären. - Vermeidung größerer Investitionen (28 Prozent)
Es bedarf nicht großer Investitionen in neue Informationssysteme, um mit einer neuen Geschäftsidee zu starten. Betriebsausgaben für einen Dienst binden kein Kapital im Unternehmen. - Vermeiden der Abhängigkeit von der IT-Abteilung (16 Prozent)
Oft haben Fachabteilungen kurzfristige Bedürfnisse, die von der IT nur zögernd oder gar nicht erfüllt werden, da sie im laufenden Jahr zum Beispiel nicht budgetiert sind. Extern bezogene SaaS-Dienste, seltener IaaS-Dienste, können schnelle Abhilfe leisten. Sie erhöhen aber auch den Druck auf die IT-Abteilung, da diese Dienste oft in bestehende Umgebungen integriert werden müssen. - Schnellere Distribution (14 Prozent)
Hier geht es vor allem um die Bereitstellung neuer Ressourcen. Müssen in konventionellen Umgebungen Rechner beschafft, installiert und Programme verteilt werden, reicht es bei Cloud-Diensten, potenziellen Nutzern den Webzugang freizuschalten. - Erweiterte Funktionalität (9 Prozent)
Werden Funktionalitäten nur bei besonderen Gelegenheiten benötigt, kann es sinnvoll sein, diese nicht konstant vorzuhalten. So lässt sich etwa zur Auswertung einer zweimal im Jahr stattfindenden Marketingkampagne der Zugang zu erhöhter Rechenleistung und teuren BI-Lösungen als temporärer Dienst mieten. Dies erweitert bestehende Funktionalitäten temporär. - Andere (5 Prozent)
Vergleicht man die Erwartungen mit den Ängsten befragter CIOs, so sind diese – quer durch verschiedene Umfragen – immer wieder ähnlich:
- Sicherheitsmängel, die sich in Datenverlust oder Dienstausfällen auswirken
- Mangelnde SLAs, was die eigenen Anforderungen beim Provider betrifft
- Mangelnder Reifegrad der eigenen IT-Organisation
- Compliance-Problem, zum Beispiel, was Kundendaten betrifft
- Lock-In-Effekte beim Anbieter
Machtverlust der IT
Dies führt dazu, dass in aktuellen Umfragen (BITKOM 2011, EBI 2011, AT Kearney 2009) etwa 70 Prozent der Unternehmen dezidiert kein Cloud Computing einsetzen wollen. Sie sind der Meinung, dass die Nachteile im Bereich IT-Security und der gefürchtete eigene Macht- und Kontrollverlust der IT die potenziell wahrgenommenen Vorteile nicht überwiegt.
Wo Cloud umgesetzt wird
Cloud Computing wird vor allem dort praktiziert oder geplant, wo die IT-Abteilung eine starke Stellung im Unternehmen hat, aktiv mit den Fachabteilungen kooperiert und sich in den Planungsprozess der Unternehmensstrategie einbringt. Dabei beziehen sich Cloud-Computing-Strategien selten auf unternehmenskritische Geschäftsprozesse, wohl aber auf die Effizienzsteigerung strukturierter, unkritischer Prozesse wie etwa die Vertriebsunterstützung oder das Projektmanagement.
Unternehmen, die Cloud Computing praktizieren, wollen nicht wieder zu alten Lösungen zurückkehren. Sie wollen die Nutzung weiter ausbauen, da Sie ihre Potenziale (siehe Bild 1) erkennen. Die bisher investierten Aufwände, die sich etwa im Nichterreichen der Kostenziele niederschlagen, sehen die Befragten als Vorabinvestition in das zur Cloud-Migration notwendige Know-how. Um Cloud Computing wertschöpfend zu projektieren, sollten sich interessierte Unternehmen deshalb folgende Frage stellen: Welche sicherheitstechnisch eher unkritischen Domänen, die die Macht der IT-Abteilung nicht in Frage stellen, könnten Stand heute für das Thema Cloud Computing geeignet sein?
Der US-amerikanische Buchautor Shawn Hal benennt hierbei fünf Felder
(Quelle: www.iheavy.com/2011/04/05/cloud-computing-use-cases/):
– Saisonale Schwankungen im IT-Bedarf
Wenn die Fachabteilung, etwa im Rahmen einer Kampagne für ein neues Produkt, mit einer Spitzenlast, zum Beispiel im Zugriff auf die Unternehmens-Website, rechnet, kann diese mit temporär aus der Cloud bezogenen externen Ressourcen bewältigt werden.
– Proof-of-Concept-Applikationen
Wenn man im Rahmen einer neuen Geschäftsidee, etwa einem Internet-Startup, neben der bestehenden IT-Infrastruktur noch zusätzliche Ressourcen, zum Beispiel einen Entwicklungsserver braucht, muss man in diesen nicht zu einem Zeitpunkt investieren, an dem der Erfolg der Idee noch nicht gesichert ist. Über die Cloud kann man sich die Ressource schnell und kostengünstig bereitstellen lassen.
– Entwicklungs- und Testumgebungen
Um neu entwickelte Software real zu testen, kann es sinnvoll sein, dies auf einem Clon des Produktionssystems zu tun. Dies sichert eine perfekte Testumgebung, ohne den Produktionsbetrieb zu stören. Wenn Sie das Testsystem nicht mehr benötigen, können Sie einfach wieder den Zugang sperren.
– CPU-intensive Applikationen
Die Themen BI und Big Data sind momentan in aller Munde und in vielen Bereichen ein perfektes Anwendungsszenario für Cloud Computing. So lassen sich etwa rechenintensive Simulationen im Bereich Forschung und Entwicklung ohne das Vorhalten eines eigenen Großrechenzentrums realisieren. Ob Wissenschaftler, Produktentwickler oder Marktforscher – viele von ihnen bedienen sich bereits heute entsprechender Cloud Services
– Temporär benötigte Anforderungen, deren Fortbestand nicht gesichert ist
Ein typisches Beispiel könnte eine als SaaS gehostete Projektmanagementplattform in einem Unternehmen sein, das nicht oft Projekte abwickelt. Die Plattform kann temporär verschiedene Lieferanten und Partner zur Abwicklung eines größeren Projekts integrieren. Ist das Projekt vorüber, kann der nicht mehr benötigte Service gekündigt werden.
Sicher lassen sich zu den Szenarien von Hal noch einige weitere ergänzen, zum Beispiel:
– Ablage von Dokumenten mit nicht sicherheitskritischem Inhalt
Einige öffentliche Bildungseinrichtungen machen bereits von Cloud-basierten Storage-Diensten Gebrauch. Sie legen ihre Lehrmaterialien in die Cloud. Ähnlich nutzen bereits viele Marketing- und PR-Abteilungen entsprechende Lösungen, um voluminöse Werbematerialien wie Folder oder Präsentationen oder Multimedia-Filme in die Cloud zu transferieren. In beiden Fällen wäre der Raub der entsprechenden Informationen kein großes Problem, würde er doch im besten Fall zur Weiterbildung eines Diebs oder zur kostenfreien Bewerbung eines Produkts führen.
Lessons Learned
Cloud Computing befindet sich mit den angesprochenen Sicherheitslücken, Verfügbarkeits- und Compliance-Fragen sicher noch immer auf dem Stand einer disruptiven Technologie. Sich mit ihr auf einem unkritischen und wertschöpfenden Anwendungsgebiet vertraut zu machen, ist kein Fehler. Denn eines Tages werden entweder die Anbieter die noch ausstehenden Barrieren beseitigen, oder – im schlechteren Fall – die Facebook-Generation, der der Speicherort ihrer Applikationen und Daten zunehmend gleichgültig zu sein scheint, für einen neuen Umgang mit Cloud Computing sorgen.
In beiden Fällen könnten jene Unternehmen, die die Technologie beherrschen und eine performante IT-Organisation besitzen, sehr schnell und auf breiter Basis von Cloud Computing profitieren.
Prof. Dr. Dieter Hertweck unterrichtet seit 2004 Geschäftsprozess- und Informationsmanagement im Studiengang Electronic Business an der Hochschule Heilbronn und ist seit 2005 leitender Direktor des Electronic-Business-Instituts Heilbronn (EBI) http://www.hs-heilbronn.de/ebi.
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