02.07.2018 – Kategorie: Handel, Marketing

BVOH: „Bundesregierung schaltet den Online-Handel ab“

Der Bundesverband Online-Handel ist alarmiert.  Ein neuer Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums zum „Jahressteuergesetz 2018“  bringe den gesamten Online-Handel in Gefahr, warnt der Verband und fordert eine drastische Änderung des Prozesses.

Der Bundesverband Online-Handel ist alarmiert.  Ein neuer Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums zum „Jahressteuergesetz 2018“  bringe den gesamten Online-Handel in Gefahr, warnt der Verband und fordert eine drastische Änderung des Prozesses.

Dem deutschen Onlinehandel drohte erhebliche Gefahr – nicht nur durch chinesische Händler, die keine Steuern zahlen – sondern seitens der Bundesregierung, ist sich der Bundesverband Online-Handel sicher. Mit dem geplanten neuen „Jahressteuergesetz 2018“ soll die Steuergesetzgebung so geändert werden, dass Online-Marktplätze unter bestimmten Umständen in die Haftung für in Deutschland entstandene und nicht abgeführte Umsatzsteuer genommen werden.

Zusätzlich dürften die Betreiber dieser elektronischen Marktplätze die über sie abgewickelte Transaktionen nach bestimmten Kriterien aufzeichnen und auf Anfrage an die Finanzbehörden übermitteln müssen. Die logische Folge: Um sich selbst zu schützen, müssten die Marktplätze Unbedenklichkeitsbescheinigungen des zuständigen Finanzamtes von jedem Händler verlangen. Doch diese Bescheinigungen können die Finanzämter erst nach dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes im Spätherbst ausfertigen. Weit mehr als 200.000 Online-Händler werden also die Finanzämter in der geschäftlich heißesten Jahreszeit überrennen – und das dürfte die Behörden in der Jahresabschlussphase ziemlich überfordern.

Gut gemeint – schlecht gemacht

Um kein Risiko in Milliardenhöhe durch zu verauslagende Umsatzsteuerzahlungen einzugehen, müssten alle Marktplätze die Händler von ihren Plattformen verbannen, die noch keine Bescheinigung vorlegen können. „Die Bundesregierung schießt wieder einmal mit den sprichwörtlichen Kanonen auf Spatzen. Höchst bedenklich ist, dass die Finanzämter hoheitliche Aufgabe an Dritte weitergeben wollen – das erinnert doch sehr an die Steuerpächter zu Zeiten des Absolutismus. Es kann nicht sein, dass – weil die Bundesregierung eine eigene Regelung anscheinend nicht alleine zustande bekommt – wieder einmal abertausende nicht betroffene KMU-Unternehmer mit bürokratischen Hürden und Risiken belegt werden, die mit dem eigentlichen Problemfall nichts zu tun haben“, sagt Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverbands Onlinehandel e. V. (BVOH).

Bundesregierung nimmt deutschen Online-Handel für ausländische Steuersünder in Haftung

In Deutschland gibt es laut Marktplatz-Ranking „Marketplaces across the World“, erstellt von der p.digital GmbH in Zusammenarbeit mit dem BVOH, weit über 100 Marktplätze, auf denen sogenannte Dritte Waren verkaufen können. Nach Schätzung des BVOH befinden sich maximal auf einer Handvoll Marktplätze die ausländischen Händler, die die Umsatzsteuer nicht abführen. „Deshalb lehnen wir vom BVOH die Lösung der Bundesregierung ab, das Problem über die Verantwortung der Marktplätze zu lösen. Außer Frage steht jedoch, dass die Betreiber von Marktplätzen die Händler stärker und genauer prüfen sowie relevante Angaben wie Steuernummern einfordern müssen“, so BVOH-Präsident Oliver Prothmann.

Unverhältnismäßig

„Aber dass nun kleinere Marktplätze wie Makerist.de, dawanda.de oder auch alle lokalen Marktplätze von diesem neuen Gesetz in Mithaftung genommen werden, ist eine unverhältnismäßige Auflage der Regierung, die so nicht hinnehmbar ist. Nicht zuletzt wird es für neue Marktplätze deutlich schwieriger, Händler zu finden, weil nun vor jeder Marktplatz-Registrierung erst die Unbedenklichkeitsbescheinigung besorgt werden muss. Damit beendet die Bundesregierung die Entstehung neuer Geschäftsmodelle und Start-ups. Dieses Gesetz ist falsch, denn es kann nicht sein, dass man gesetzeskonforme Online-Händler für die Steuersünden einiger ausländische Anbieter in Haftung nimmt – so sinnvoll eine Reglementierung dieser Steuersünder auch sein mag. Hier müssen bessere Wege gefunden werden!“, betont Oliver Prothmann.

„Auf der anderen Seite löst man nicht das Problem auf Marktplätzen wie Wish.com oder aliexpress. Solange diese beliebten Marktplätze keinen Sitz in Deutschland haben, kann das Finanzministerium mit diesem Gesetz auch keine Steuern eintreiben.“

Forderung des BVOH nach Änderung des Prozesses

Noch läuft das Anhörungsverfahren und der BVOH fordert folgende Vorgehensweise:

Marktplätze

  • Verpflichtung aller Marktplätze zu einer erweiterten Impressum-Pflicht für alle Händler (In- und Ausland) mit Angabe der Steuernummer und Steuer-ID in lateinischer Schrift. Marktplätze werden verpflichtet zum 1. Januar 2019 alle Händlerdaten aktuell zu haben.
  • Monatliche automatische Übermittlung aller steuerrelevanten Daten an das Bundeszentralamt für Steuern bis zum zehnten Tag des Folgemonats
  • Identischer Registrierungsprozess für alle ausländischen wie für deutsche Händler bei Verkauf in Deutschland
  • Aufklärungspflicht an alle Händler über rechtliche Vorschriften, insbesondere, was Steuern, Registrierungen und Produktsicherheit angeht

Bundesministerium der Finanzen (BMF)

  • Überprüfung der von den Marktplätzen zur Verfügung gestellten Daten nach Steuersündern
  • Verfolgung von Steuersündern , etwa durch Aufforderung an die Marktplätze, das Händlerkonto zu schließen. 
  • Veröffentlichung einer Online-Prüfungsstelle von europäischen Steuernummern

„Alle diese Prozesse sind Standard-Prozesse bei Marktplätzen und dem Bundeszentralamt für Steuern. Bereits heute sind die Marktplätze auskunftspflichtig, wenn Finanzämter eine Anfrage stellen. Mit diesem Prozess verhindert man die Umsetzung eines unnötigen neuen bürokratischen und manuellen Prozesses bei allen drei Parteien: bei Händlern, Marktplatz und Finanzamt“, so Portmann.

Denn wenn Händler zur Weihnachtszeit vom Handel auf Marktplatzen ausgeschlossen würden, träfe es nicht nur die Händler, sondern auch und vor allem die Verbraucher. „Besonders schade ist, dass – aufgrund eines schlechten und manuellen Prozesses – die Regierung mit diesem eigentlich guten Gesetz den Online-Handel über Marktplätze für einige Zeit tatsächlich abschaltet – und das wäre für alle Beteiligten fatal und würde zu katastrophalen Folgen für den Online-Handel führen. Das kann nicht das Interesse der Bundesregierung sein“, ist sich Oliver Prothmann sicher.
 
Dieses Thema dürfte auch eine große Rolle beim Tag des Onlinehandels am 30. August 2018 in Berlin spielen.

Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums im originalen Wortlaut. 

Über den BVOH:Der Bundesverband Onlinehandel e.V. (BVOH) versteht sich seit 2006 als Interessenvertreter der Unternehmer, wie auch der Verbraucher im Online-Handel. Er will die „sichtbare Stimme des ehrbaren Online-Kaufmanns“ sein und hat sich zur Aufgabe gemacht, die Onlinehändler, die Politik, Online-Marktplätze, Zulieferer und Ausrüster zusammenzubringen.


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