21.11.2017 – Kategorie: IT

Big Brother hört mit: potenzielle Wanzen im IoT

Mirko Ross, IoT-Experte

Die Bundesnetzagentur schlägt Alarm. Kinderuhren mit Abhörfunktion sind in den Fokus der Behörde geraten. Dabei sind sie nur ein Mosaikstein im Panorama eines Problems, das im IoT immer breitere Ausmaße annimmt.

Die Bundesnetzagentur schlägt Alarm. Kinderuhren mit Abhörfunktion sind in den Fokus der Behörde geraten. Dabei sind sie nur ein Mosaikstein im Panorama eines Problems, das im IoT immer breitere Ausmaße annimmt. Ein Experte äußert sich.

„Unerlaubte Sendeanlage“   

In den von der Bundesnetzagentur jüngst kritisierten Kinderuhren sieht der IoT-Experte Mirko Ross, der vor kurzem seitens der EU zum beratenden Experten für Sicherheit der European Union Agency for Network and Information Security (ENISA) berufen wurde, nur die Spitze eines Eisbergs. Diese Uhren verfügen über eine SIM-Karte und eine eingeschränkte Telefoniefunktion, die über eine App eingerichtet und gesteuert werden. Eine solche Abhörfunktion wird häufig als „Babyphone“-oder „Monitorfunktion“ bezeichnet. Der App-Besitzer kann festlegen, dass die Uhr unbemerkt vom Träger und dessen Umgebung eine beliebige Telefonnummer anruft. So wird er in die Lage versetzt, unbemerkt die Gespräche des Uhrenträgers und dessen Umfeld abzuhören. Eine derartige Abhörfunktion, die beispielsweise auch in der Schule zum Abhören von Lehrern benutzt werden kann, ist in Deutschland allerdings verboten. Die Bundesnetzagentur spricht hier von einer „unerlaubten Sendeanlage“.

Strafbarkeit inklusive

Ross: „Geräte, die die Aktivierung eines eingebauten Mikrofons nicht anzeigen, sollten grundsätzlich verboten werden.“ Die Crux bestehe derzeit darin, dass diese Geräte zwar frei verkäuflich seien. Wer sie dann aber auch benutzt, beispielsweise in der Schule, der könne sich strafbar machen. Eltern sowie generell Konsumenten können folglich sehr schnell in die Falle tappen und schlimmstenfalls vor Gericht landen.

Potenzielle Wanzen in smarten Produkten

Dabei sind die so genannten Smart Watches nur ein Teil der Gesamtproblematik. Smart-TV, diverse Haushaltsgeräte, Staubsauger-Roboter und viele Arten von elektronischem Kinderspielzeug bieten bereits heute Möglichkeiten zur Überwachung, von denen George Orwell in seinem legendären Buch „1984“ („Big Brother is watching you“) nur träumen konnte. Ross: „Wir müssen leider feststellen, dass das Abhören nicht mehr nur eine Sache von Staaten und Geheimdiensten ist. Potenzielle Wanzen sind heute in sehr vielen smarten Produkten enthalten. Manche Hersteller – oftmals aus Übersee – kümmern sich auch nicht um nationale Gesetze, die wie in Deutschland sehr strenge Regeln für das Überwachen per Mikrofon vorsehen. Und eindeutige länder- und grenzüberschreitende gesetzliche Regelungen sucht man vergebens.“

Die Bundesnetzagentur jedenfalls rät inzwischen Schulen, in den Klassenzimmern verstärkt auf Uhren mit Abhörfunktion zu achten. Käufer solcher Uhren fordert die Bundesnetzagentur auf, die Uhr zu vernichten und einen Nachweis hierüber an die Bundesnetzagentur zu senden. Mirko Ross dazu: „Ein weiterer wichtiger und richtiger Schritt, nachdem bereits im Frühjahr die Spielzeugpuppe „Cayla“ verboten worden war, die ebenfalls über ein Mikrofon und eine Funkverbindung verfügt hatte“.

Zur Person: Mirko Ross ist Gründungsgesellschafter und CEO der digital worx GmbH, einer mobilen Software Developing Company mit Sitz in Stuttgart-Vaihingen. 1998 gründete er sein erstes Unternehmen im Technologiebereich. Seit 2012 unterrichtet er Web Engineering und mobile Softwareentwicklung an der Universität Heilbronn. Der 44-Jährige wurde jüngst seitens der EU zum beratenden Experten für Sicherheit der European Union Agency for Network and Information Security (ENISA) berufen und ist an öffentlichen und privaten Forschungsaktivitäten für offene Standards im Internet der Dinge beteiligt. Er ist Mitglied des Internet Of Things Council, einem weltweiten IoT Think Tank. Im Rahmen des Internet-Programms der Europäischen Kommission unterstützt er Start-ups in den Bereichen E-Health und Industrial IoT.


Teilen Sie die Meldung „Big Brother hört mit: potenzielle Wanzen im IoT“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top